Das (unwahre) Märchen der Superwoman

Frauen führen anders. Männer auch: Ein Appell für mehr Mensch und weniger Superwoman. Claudia Hesse, Mitbegründerin von speicherguide.de und heutiger Leadership-Coach, hat es selbst erlebt und weiß, eine weibliche Führungskraft und Mutter muss nicht Superwoman sein.

Es ist ein schmaler Grat zwischen der erschöpften Superfrau und einer authentischen, selbstbewussten und entspannten Führungskraft sowie geduldigen und schuldfreien Mutter. Vor allem in der männerdominierten IT.

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Mit 24 bin ich nach München gekommen, um in der IT-Branche anzufangen. Lange her – und damals herrschte noch mehr oder weniger »Wildwest-Stimmung«. Wir probieren einfach mal aus, was geht. Und machen dann weiter. Die meisten Unternehmen waren »Start-Ups« – hat man allerdings noch nicht so bezeichnet. 

In meinem ersten Job als Assistentin von einem Produktmanager wurde mir zum ersten Mal schmerzhaft bewusst, dass ich in einer deutlichen Männerdomäne gelandet war. Nur zur Klärung: Ich habe nichts gegen Männer – im Gegenteil. Ich mag (viele) richtig gern.

Ich war wissbegierig, motiviert und ambitioniert und habe viele Fragen gestellt. Wie zum Beispiel einem Sales-Kollegen: »Erklär mir doch mal, was so ein (HDD) Controller macht.« Worauf besagter Kollege meinte: »Brauch ich dir nicht erklären, das verstehst du sowieso nicht.«

Wow.

Einerseits eine Frechheit – andererseits genau das, was die Branche widergespiegelt hat zu diesen Zeiten (und leider hat sich nicht wahnsinnig viel verändert). Technik ist was für Männer.

Damals wusste ich noch nicht, wie ich damit umgehen sollte. Was es allerdings ausgelöst hat, war mein Wille, es diesen Männern zu zeigen mit der Folge, dass ich mich mächtig ins Zeug gelegt habe in Sachen Karriere.

Fast Forward: Irgendwann hatte ich diverse leitende Positionen und auch durchaus die Unterstützung des ein oder anderen Mannes auf dem Weg dahin. Frauen eher nicht. Einerseits gabs wenige in der Führung. Andererseits ist die gegenseitige Unterstützung von Frauen in den meisten Unternehmen bis heute leider eher die Ausnahme als die Regel.

Und irgendwann habe ich auch den »üblichen« privaten Weg eingeschlagen: Familie und Haus, obendrauf noch Katze und Pferd. Alles erreicht, oder?

Nach aussen hin ja.

Es gab viel Bewunderung: Wie machst du das bloss? Hat sich gut angefühlt – ich habe das erstmal als Lob aufgefasst. Und wer mag das nicht. Also – weitermachen.

Bis ich mich das auch irgendwann selber gefragt habe und die Antwort war relativ einfach: Immer pushen, pushen, pushen. Immer stark sein und ja nicht zugeben, dass ich vielleicht etwas nicht weiss. Mich permanent behaupten (nach aussen und vor mir selber) und sicher nicht nach Hilfe oder Unterstützung fragen – das könnte ja als Schwäche ausgelegt werden.

Nach aussen wollte ich, dass es so aussieht, als hätte ich alles im Griff: Job und Familie – und dabei auch noch gut aussehen.

Hat weitgehend geklappt – ich habe hervorragend »funktioniert«. Allerdings mit hohem Preis: Irgendwann war alles zu viel. Und ich war dauererschöpft. Und hatte irgendwie nie Zeit – speziell nicht für mich und war ständig am Rennen – zumindest hat es sich so angefühlt.

Spannenderweise eher nicht wegen der Menge an Arbeit oder Anforderungen (für alle die, die jetzt gedacht haben – ha, hab’s doch gewusst, dass nicht alles auf einmal geht!!).

Es war eher die Idee, immer Superwoman sein zu müssen und ja keine Verletzbarkeit zeigen zu dürfen. Es war viel mehr, nach aussen hin eine andere zu sein als ich innen drin war. Was deutliche Spannung auslöst hat – und das kostet Energie.

Mit anderen Worten: Ich habe eine Maske getragen und war nicht authentisch. Weil ich dachte, ich muss so sein und zum Beispiel wie ein Mann führen, um akzeptiert und anerkannt zu werden. Und auch aus Angst, doch nicht gut genug zu sein, obwohl meine Karriere so gut lief.

Und weil ich ehrlich gesagt gar nicht genau wusste, wer ich bin und was mir wirklich wichtig war. Neben dem üblichen »Karriere und Familie«-Gedöns, was ich und die meisten von sich geben, weil wir es halt nicht anders gelernt haben.

Fast Forward: Das Bild hat sich mittlerweile vollkommen verändert. Ich bin entspannt (naja, meistens), traue mich Fehler zu machen, lasse mich nicht mehr hetzen (weder von mir noch von anderen) und bin höchst selten gestresst. Life is good.

Hat ja auch lange genug gedauert.

Nicht dass jemand glaubt, ich rede von dem äusseren Bild. Da hat sich nicht so viel getan.

Trotz Unterstützung und Förderung gibt es nach wie vor relativ wenige weibliche Führungskräfte in Top-Positionen in der IT- und schon gar nicht mit Kindern. Und die, die sich trauen, jonglieren viel und zahlen – genau wie ich damals – den Preis dafür.

Ich habe zwei Jahrzehnte gebraucht, um zum Kern der Lösung zu kommen. Und es hat nichts mit Kompromiss, bis zum Burnout arbeiten (Kopf runter und durch), darauf zu warten bis mein Unternehmen und die Menschen darin sich verändern oder aussteigen zu tun. Im Übrigen auch nicht mit all den prima Tipps wie Work und Life getrennt zu halten, mehr Struktur entwickeln oder noch ein Tool zur Effizienz einzuführen.

Manche dieser Dinge sind schlicht und ergreifend Quatsch und einige andere funktionieren nur dann, wenn eine solide und klare Grundlage da ist.

Grundlage = wir selber.

In erster Linie ging es darum, viele Dinge zu VERLERNEN und diverse BRULES (Bullshit Rules) loszulassen. Das geht dann, wenn wir (wieder) lernen, auf uns selbst zu hören. Und zwar nicht zwangsläufig auf das, was wir irgendwann mal gelernt haben, sondern was wir tief in uns tatsächlich wollen und was für unser Leben richtig und wichtig ist.

»Nur harte Arbeit führt zum Ziel« – eine der weitverbreitetsten BRULES. Harte Arbeit schadet sicher nicht von Zeit zu Zeit. Allerdings ist es kein Garant von Erfolg und mittlerweile weiss ich auch, dass es einfacher und anders geht.

Wir kennen doch alle irgendjemanden, der sich das Bein nicht ausreisst und trotzdem ein Superleben führt, oder? Genau – die haben diesen Teil zumindest verstanden und leben ihn auch.

Ausserdem habe ich aufgehört, die Definition von Erfolg von unserer Gesellschaft unreflektiert einfach so zu übernehmen: Karriere, toller Partner, Kinder, Haus – was auch immer noch an Besitztümern. Und wer’s nicht hat, ist ein Loser.

Da ist prinzipiell nichts gegen einzuwenden – diesen Weg zu gehen meine ich. Allerdings nur dann, wenn er uns TATSÄCHLICH entspricht.

Hier setzt für mich echte Gleichberechtigung an, dass ich als Frau und als Mann wählen kann, welchen Weg ich gehen möchte. Da gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur »passt zu mir« oder »passt nicht zu mir«.

Und die Frauen, die diesen Weg wählen – Karriere und Familie – und keine Lust mehr auf Müde-Sein haben, sollten natürlich wissen, wie es anders gehen kann.

Die Essenz aus den letzten 30 Jahren, viele Bücher, Kurse, Erfahrungen und Erlebnisse später haben mich zu diesen Schritten/Shifts geführt:

  1. Aktivierung und bewusstes Nutzen der inneren Kräfte (haben alle – nur die wenigsten wissen diese gezielt anzusteuern). Was zu deutlich mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein führt.
  2. Wegkommen von den Lügen, was Erfolg für Frauen bedeutet (und ersetzen mit der eigenen Wahrheit…dauert manchmal ein wenig, bis die »unechten« Schichten weggekratzt sind).
  3. Den eigenen (wahrscheinlich mehr femininen) Leadership-Stil finden und leben.

Das Ergebnis: Raus aus der Superwoman-Falle zu entspanntem und authentischem Führen im Business und Leben. Mit mehr Zeit für sich selbst, ohne schlechtes Gewissen den Kindern oder dem Arbeitgeber gegenüber. Und was für mich persönlich sehr wichtig war: Endlich wieder Frau sein zu können, ohne permanent alles kontrollieren zu müssen oder mein männlich geprägtes Führen in andere Beziehungen zu bringen, was unweigerlich irgendwann zu Reibung führte.

Frauen sind anders als Männer. Was nicht heisst, dass wir nicht gleiche Möglichkeiten haben können in Sachen Karriere oder Geld verdienen. Sondern einfach, dass wir es anders machen. Nämlich so, dass es mit uns selbst übereinstimmt und nicht irgendwelchen Bildern oder Vorstellungen, die wir im Laufe unseres Lebens an Bord genommen haben.

Ist unglaublich befreiend – und erstaunlicherweise erreichen die, die diesen Weg gehen oft mehr mit deutlich weniger Aufwand als die Superwomen. Und sind vor allem entspannter.

Weiterführende Informationen
Claudia Hesse bietet derzeit in einem brandneuen Gruppen-Coaching-Programm ALIGNED weiblichen Führungskräften mit Kindern die Möglichkeit an, diese Schritte nicht nur zu durchlaufen, sondern auch noch Teil einer exklusiven, internationalen Community zu werden. Bis Ende Juni bietet Claudia einen deutlich reduzierten Preis mit diversen Boni an – noch sind Plätze für diese Konditionen frei.

Hesse Claudia

The Better Workplace -

Leadership-Coach & ehemalige speicherguide.de-Mitbegründerin

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