DFG holt Forschungsdaten aus US-Clouds zurück
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) initiiert ein Programm zur Rückführung wissenschaftlicher Datenbestände aus außereuropäischen Cloud-Infrastrukturen. Bis 2027 werden Maßnahmen gefördert, die Forschungsergebnisse von US-Anbietern wie Amazon, Google und Microsoft in europäische Strukturen überführen und dort redundant vorhalten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) adressiert mit einer neuen Förderinitiative die gewachsene Abhängigkeit deutscher Forschungseinrichtungen von Cloud-Speichern außereuropäischer Anbieter. Im Fokus stehen Repositorien und Datenbestände, die bei US-Konzernen wie Amazon Web Services (AWS), Google Cloud oder Microsoft Azure gehostet werden. Ziel ist, diese Informationen in europäisch kontrollierte Infrastrukturen zu migrieren und dauerhaft verfügbar zu halten.
Der Aufruf richtet sich an Institutionen, deren Forschungsdaten aktuell oder perspektivisch gefährdet sind – etwa durch rechtliche Zugriffsmöglichkeiten Dritter, regulatorische Änderungen oder Plattform-Entscheidungen der Betreiber. Die DFG stellt für den Zeitraum 2025 bis voraussichtlich 2027 Fördermittel bereit, deren Volumen nicht beziffert wurde.
Förderumfang: Speicher, Personal, rechtliche Prüfung
Förderfähig sind Ausgaben für Speicherkapazitäten, Personal-Ressourcen zur Datenkuration und fachlichen Aggregierung sowie für rechtliche Bewertungen im Kontext der Migration. Auch die technische Integration gesicherter Bestände in überregionale oder europäische Verbundstrukturen wird unterstützt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Rahmenbedingungen und Schnittstellen, die eine Anbindung an die European Open Science Cloud (EOSC) ermöglichen.
Darüber hinaus können bereits getätigte Ausgaben rückwirkend ab dem 1. August 2025 refinanziert werden, sofern diese zusätzlich zum Schutz akut gefährdeter Datenbestände aufgewendet wurden und ohne Finanzierung ein Datenverlust droht. Entsprechende Anträge müssen bis spätestens 10. November eingereicht werden. Die gesamte Initiative läuft bis Ende 2027; Antragstellung ist bis 30. September 2027 möglich.
Redundanz über europäische Infrastrukturen
Die DFG verknüpft das Programm explizit mit dem Ausbau europäischer Forschungsinfrastrukturen. Resilienz entstehe wesentlich durch redundante Datenhaltung auf europäischer Ebene, heißt es im Aufruf. Projekte, die in Deutschland gesicherte Daten über thematisch ausgerichtete europäische Plattformen bereitstellen oder verteilte Speicher-Architekturen aufbauen, erhalten Priorität. Die EOSC fungiert dabei als zentrale Integrationsebene.
Rechtliche Risiken: Cloud-Act und Zugriffsmöglichkeiten
Hintergrund der Initiative ist die rechtliche Konstellation in den USA. Der Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act (Cloud-Act) ermöglicht US-Behörden unter bestimmten Voraussetzungen den Zugriff auf Daten, die von US-Unternehmen verwaltet werden – unabhängig vom physischen Standort der Server. Für sensible Forschungsdaten bedeutet dies potenzielle Zugriffe durch ausländische Stellen sowie das Risiko, dass Informationen aus politischen oder regulatorischen Gründen kurzfristig nicht mehr verfügbar sind.
Die politische Dimension verstärkt sich durch protektionistische Tendenzen der aktuellen US-Administration, die transatlantale Abkommen zum Datenaustausch in Frage stellen könnten. Dennis-Kenji Kipker, Forschungsdirektor am Frankfurter Cyberintelligence Institute, bestätigt gegenüber heise online: »Mit Sicherheit hat das geänderte transatlantische Verhältnis hier ein Umdenken zur Folge gehabt.«
Versäumnisse bei Datensouveränität in der Praxis
Kipker verweist zudem auf strukturelle Defizite: In der wissenschaftlichen Praxis sei »in der Vergangenheit zu wenig auf rechtliche und technische Datensouveränität geachtet« worden. Trotz vorhandener unabhängiger Speichersysteme an Universitäts-Rechenzentren hätten Forschende »oftmals ungeprüft auf externe Anbieter Rückgriff genommen, um sensible Forschungsdaten zu speichern und in den Konsortien zu teilen«. Datenschutzbeauftragte und Ethik-Kommissionen seien zu selten eingebunden worden.
Auf der S2N-Konferenz in Regensburg erklärte Kipker, dass Unternehmen mit jeder Investitionsentscheidung, sich für oder gegen digitale Souveränität entscheiden würden. Der DFG-Vorstoß wirke daher über die Wissenschaft hinaus richtungsweisend.