Warum 9 von 10 Gesprächen ihr Ziel komplett verfehlen

Kommunikation ist das wirkungsvollste Mittel, Verbindung mit anderen Menschen aufzunehmen. Und eines der größten Minenfelder. So groß, dass 90 Prozent aller Gespräche laut einer Stanford-Studie ihr Ziel komplett verfehlen. Warum und wie du das ändern kannst, erklärt Claudia hier.

Ziel verfehlt (Bild: Claudia Hesse/Canva)Ziel verfehlt (Bild: Claudia Hesse/Canva)Ich habe viel Zeit in Beziehungen verbracht und zwei Kinder alleine erzogen. Ich habe viele Jahre in diversen Unternehmen verschiedener Größenordnungen verbracht und bin gerade dabei mein zweites Business aufzubauen. Im Klartext: ich bin permanent in irgendwelchen Gesprächen, Konversationen, Unterhaltungen – wie auch immer wir das Kind nennen möchten.

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Und viele davon waren schwierig.

Viel Gelegenheit zu lernen, wie richtig kommunizieren geht. Allerdings auch, um manche richtig zu vermasseln und am Ziel vorbei zu schießen. Ich habe beides hingekriegt.

Ziel verfehlt

Laut einer Studie der Stanford Universität passiert genau das: neun von zehn Konversationen gehen am Ziel vorbei.

Was genau meine ich damit?

Naja, das ist relativ einfach: wenn es kein Ergebnis gibt – oder nicht das gewünschte.

Wenn wir in irgendwelche Muster rein kippen und zum Beispiel defensiv reagieren, anstatt zuzuhören, Vertrauen aufzubauen und gute Verbindungen aufzubauen. Wenn wir aneinander vorbeireden oder aneinander rasseln, verurteilen oder Angst die Überhand gewinnen lassen (oft ohne es zu merken).

Jede Konversation hat irgendeinen Zweck: Manchmal ist es einfach der Austausch von Informationen, manchmal bitten oder beauftragen wir jemanden mit etwas, vielleicht sprechen wir, um eine Lösung für ein Problem zu finden oder eine Idee zu entwickeln. Die Liste ist endlos.

Wir reden alle mit anderen Menschen – manche mehr manche weniger. Ich gehöre eher zu der ersten Kategorie, manchmal zum Leidwesen meiner Familie. Und jedes Mal passiert RICHTIG viel, wenn wir kommunizieren.

Wir senden und empfangen Signale.

Worte werden gesprochen und interpretiert.

Die Qualität unserer Gespräche bestimmt unsere Beziehungen

Wir haben eine Absicht (oder nicht) und zeigen uns von verschiedenen Seiten: Offen, freundlich, energiereich, verschlossen, defensiv, ärgerlich, was auch immer es sein mag.

In den letzten 30 Jahren habe ich Stück für Stück gelernt, Kommunikation nicht zu vermasseln – oder um es anders auszudrücken: erfolgreich zu kommunizieren. Weil ich schnell gemerkt habe, dass die Art, wie wir miteinander sprechen unsere Beziehungen mit anderen Menschen definiert. Lange Zeit habe ich angenommen, dass es anders herum ist. Es stellte sich heraus, dass ich auf dem falschen Dampfer war – und das hat Gültigkeit, egal, ob in unserem Arbeits- oder Privatleben.

Und weil‘s so wichtig ist, hier nochmal zum Mitschreiben und Einprägen: Die Qualität unserer Gespräche bestimmt unsere Beziehungen.

Es gibt massenweise Kommunikationstrainings im Markt und manche sind durchaus sinnvoll: Ausreden lassen, Ich-Botschaften senden anstatt beschuldigen und diverse andere Techniken.

Kein Tool oder keine Gesprächstechnik wird allerdings wirklich helfen, bevor wir nicht die Grundlagen jedes Gespräches und die potentiellen Fallen kennen. Letztere bemerken wir oft überhaupt nicht.

Pah – jeder kann doch reden. Tun wir ja permanent. Yep. Wir können auch alle atmen, Kinder in die Welt setzen und viele andere Dinge tun, weil »man« sie halt tut. Müssen wir nicht lernen. Glauben wir.

Und trotzdem vermasseln wir vieles davon, WEIL wir eben die Grundlagen nicht wirklich kennen oder zumindest nicht beachten.

Die 6 größten Fehler

  1. Wir hören nicht zu. Und damit meine, ich WIRKLICH zuhören. Darüber habe ich einen kompletten Artikel geschrieben – wenn es dich interessiert – schau rein. Eine der wichtigsten Eigenschaften, die Beziehungen nicht nur besser macht, sondern retten kann.
  2. Wir ignorieren unsere Gefühle
    Wenn in einem Gespräch irgendwas hochkommt, was und total gegen den Strich geht, kommen gleichzeitig Emotionen hoch. Garantiert. Normalerweise solche, die wir eher nicht mögen: Ärger, Frustration, Wut, Traurigkeit. Und die wollen wir nicht fühlen – schon gar nicht im Businessumfeld. (Hier mehr zum Emotionen am Arbeitsplatz) Und eh wir uns versehen, sind die Emotionen weggedrückt. Im Übrigen gehen solche Emotionen immer mit der Ausschüttung von Kortisol einher – dem berühmten Stresshormon. Und je länger wir in diesen Gefühlen bleiben und die Situation wiederkäuen, desto länger bleibt uns das Kortisol erhalten – bis zu 26 Stunden – und beinflußt unsere Laune und unser Verhalten (in aller Regel nicht positiv).

    So geht’s besser:
    Akzeptiere die Gefühle, die hochwallen ohne sie zu unterdrücken. Sonst kommen sie zurück, die haben nämlich die Tendenz hartnäckig zu sein. Oder sie verstecken sich irgendwo im Körper und richten dort ihr Unheil an: mit permanenten Kopfschmerzen, Verspannungen, hohem Blutdruck, um nur ein paar zu nennen.
    Das heißt nicht im Kehrschluss, die Emotionen auszuleben! Schau hin, erlaube dir selber die Gefühle (auch, wenn du sie nicht magst) und du wirst merken, dass sie ihre Kraft verlieren und manchmal ganz verschwinden.
    Und danach kannst du entscheiden, wie du dich wirklich fühlen möchtest. „Kann ich nicht – Gefühle kommen doch einfach”. Nö, tun sie nicht. Sie hängen immer mit UNSEREN Auslösern und UNSEREN Gedanken zusammen – und beides können wir beeinflussen und bestimmen. Vorausgesetzt, wir kennen sie (siehe Nummer 4).

  3. Annehmen und Interpretieren (anstelle von Verstehen)
    Wir leben alle in unserer eigenen Welt und Realität. Und sehen die Welt aus unserer Perspektive. Im übertragenen und wortwörtlichen Sinn. Wenn also jemand zu uns sagt: »Das Projekt hätte vor einer Woche abgeschlossen sein sollen«, dann hören wir unter Umständen
    – Wow, der denkt, ich bin unfähig, weil wir nicht pünktlich fertig waren, ODER
    – Sie hat mich noch nie mögen – und findet permanent was zum Meckern, ODER
    – Stimmt ja gar nicht – ich konnte ja gar nicht fertig werden, weil ich auf alle möglichen anderen habe warten müssen – ist also gar nicht mein Fehler.
    Es hängt vollkommen von UNSEREM eigenen Standpunkt ab und welche Erfahrungen und Historie wir mit der Person oder dem Unternehmen haben, wie wir die Situation interpretieren.
    Lass uns das mal auseinandernehmen: Wenn jemand etwas sagt, gibt es immer 3 Komponenten:
    – Die Tatsache (Die Deadline für das Projekt war vor einer Woche)
    – Unsere Annahme (was auch immer das ist)
    – Unsere Gefühle – ausgelöst durch unsere Annahme
    Eine kraftvolle Mischung.
  4. So geht’s besser:
    Fragen (du wirst noch sehen – das ist quasi das Zaubermittel für vieles), was die Person tatsächlich meint und warum sie das erwähnt. Steckt mehr dahinter? Oder ist es einfach nur das Erwähnen einer Tatsach? Was auch immer die Antworten sind – lass uns davon ausgehen, dass wir die Wahrheit hören (wenn das oft nicht der Fall ist, geht es um mehr als »nur« ein Gespräch – sondern eher um Vertrauen. Darüber schreibe ich ein anderes Mal.)
    Verstehen. Die gleiche Perspektive einnehmen. Die gleiche Wellenlänge herstellen, Du weißt, was ich meine.

  5. Wir kennen unsere Auslöser nicht
    Irgendjemand hat was gesagt, was dich total beleidigt oder was schlicht und ergreifend nicht stimmt oder von dem wir uns verurteilt fühlen. Da haben wir es schon: wir FÜHLEN uns verurteilt.
    Hat der andere das so gemeint? Vielleicht. Wissen wir in aller Regel nicht (siehe Punkt 3). Trotzdem liegt es in unserer Hand, wie wir darauf reagieren. Ansonsten haben ja andere die Kontrolle über uns – macht Sinn, oder? Erinnert mich an den Pavlov’schen Hund – kennst du sicher auch (falls nicht, einfach googlen). Das bist du nicht. Ich auch nicht.
    Fakt ist, dass unsere Reaktion unsere Sache ist. Anders ausgedrückt: wir sind verantwortlich dafür, wie wir reagieren.
    Nicht immer einfach. Und manchmal reagieren wir schneller auf unsere Auslöser, als wir denken können. Ist schlicht und ergreifend eine Sache von Gewohnheit.

    So geht’s besser:
    Sobald wir unsere Aufmerksamkeit auf uns selber richten, werden wir relativ schnell feststellen, was unsere Auslöser sind und haben die Möglichkeit unsere Reaktion darauf bewusst zu verändern.
    Hört sich zu theoretisch an? Yep, ein stückweit schon. Und es ist richtig schwierig? Oder du möchtest doch viel lieber der anderen Person die Schuld für dein Verhalten und deine Gefühle geben? Immerhin hat sie ja was total Blödes gesagt oder dich beleidigt. Ja, kann ich total verstehen. Glaub ja nicht, dass ich das immer perfekt beherrsche – obwohl ich den Großteil meiner Auslöser kenne.
    Trotz allem – es ist zutreffend und funktioniert. Eines der herausragendsten Beispiele für ich ist Viktor Frankl, der das KZ Ausschwitz überlebt hat. Nachdem ich seine Geschichte gelesen habe, war mir klar, dass die Kontrolle über unsere Reaktionen auf JEDE Situation eine unserer Superpowers ist. Und anderen die Schuld für unserer Gefühle zu geben, heißt, unsere Kontrolle und Macht abzugeben.
    Ich persönlich habe mit entschlossen, das nie wieder zu tun – wie sieht’s mit dir aus?
    Ja, es braucht Übung (wie vieles im Leben). Sei nett und geduldig mit dir. Der erste Schritt ist der wichtigste und irgendwann bekommst du die blöden Auslöser mehr und mehr in den Griff.

  6. Die Sucht, immer recht haben zu wollen
    Puh, das kann dein Leben ruinieren. Und deine Beziehungen. Es scheint fast so, als wären viele von uns mit dem Glauben aufgewachsen: Wer Recht hat, gewinnt. Und ist irgendwie „besser“. Obwohl beides kompletter Unsinn ist, passiert das immer wieder in Organisationen. Mit dem Resultat, dass wir uns richtig gut, positiv und fröhlich fühlen, wenn wir das Gefühl haben im Recht zu sein oder recht zu haben. Im Gegensatz zu der anderen Person, die wahrscheinlich defensiv oder sogar aggressiv reagiert und sich höchstwahrscheinlich fühlt, als wäre ihr großes Unrecht widerfahren.
    Schon mal erlebt?
    Und wer ist dran schuld? Genau genommen, wieder unsere Körperchemie – nämlich unsere Hormone. Für den Rechthaber ist es Oxytocin (das Glückshormon), für den anderen das Stresshormon Kortisol.
    Das Ergebnis (du weißt es wahrscheinlich schon): Das Gespräch hängt entweder fest oder ist ganz schnell beendet, weil einer eingeschnappt, verletzt oder wütend ist. Oder endet in einer Auseinandersetzung.

    So geht’s besser:
    Eigentlich wieder ganz einfach: FRAGEN (oh nein, dass schon wieder). Und klar machen, was dir in dem Gespräch helfen kann: »Ich fände es hilfreich für uns beide, wenn wir hinhören, was die jeweils andere Person wirklich zu sagen hat«.
    Falls du der Rechthaberei frönst (und es vielleicht noch gar nicht gemerkt hast), freue dich darüber, wenn dir jemand dazu eine Rückmeldung gibt. Wenn du das nämlich dauernd machst, werden Deine Gespräche (und Beziehungen oder Karriere) schwierig bleiben. Erhöhe deine Aufmerksamkeit dafür, was und wie du es sagst und achte genau darauf, welche Auswirkungen das auf andere Menschen hat. Wenn jemand defensiv reagiert, gibt es Gründe dafür – nachfragen und klären hilft immer (auch wenn für jeden Punkt 4 zutrifft, vielleicht weiß er das noch nicht).
    Ich wette, dass andere dir dann aufmerksam zuhören und deinen Argumenten folgen – probiere es aus.

  7. Tell-Sell-Yell Syndrom (Anweisen, sich selber verkaufen, laut sein)
    Immer noch extrem gängig für eine Menge Manager oder Leader. Sicherstellen, dass MEINE Position deutlich ist, dass MEINE Ideen gehört werden, dass MEINE Richtung verfolgt wird. Ego lässt grüßen. Wer am lautesten schreit, wird am ehesten gehört.
    Vielleicht ignorieren wir andere total und unterbrechen, weil wir nur unsere eigene Agenda verfolgen und die des Teams oder der Gruppe ignorieren.
    Das beste Gegenmittel: Zuhören. Und das wunderbare Prinzip aus dem Buch von Steven Covey (7 Habits of highly effective people) anwenden: Zuerst verstehen, erst dann verstanden werden. Es ist phänomenal, was passieren kann, wenn wir das machen. Fast ein bisschen wie Magie – Menschen öffnen sich, teilen sich mit, Beziehungen entstehen. Und final sind wir dazu programmiert, Verbindungen mit anderen Menschen aufzubauen. Dann lass es uns doch mit mehr Leichtigkeit und Spaß machen.

All diese Fehler sind viel leichter zu eliminieren, wenn unsere Gespräche auf einer Vertrauensbasis aufbauen. Aus meiner Erfahrung nach wie vor die beste (und legale) Medizin zur effektiven Leistungsförderung. Und wenn wir anfangen, nicht nur unseren Geist, sondern unser Herz in Gesprächen zu öffnen, werden wir nicht nur das Beste in uns, sondern auch in anderen aktivieren.

PS: Und je besser wir uns selber kennen, desto besser werden unsere Gespräche werden. Und damit unsere Beziehungen. Egal ob mit den Kollegen oder unserer Familie.

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