Der Nr. 1 Hemmschuh in digitalen Transformationsprojekten

Projekte in Sachen digitaler Transformation werden immer komplexer. Bevor überhaupt über die Anschaffung von irgendwelcher Technik geredet werden kann, müssen überhaupt erstmal die Prozesse im Unternehmen analysiert und verbessert werden. Spannenderweise liegt das größte Problem in den Projekten ganz woanders.

Claudia Hesse: »Emotionen sind gut, auch im Business«Claudia Hesse: »Emotionen sind gut, auch im Business«Vor ein paar Jahren habe ich an einem Projekt mitgewirkt, bei dem es um die Einführung von agilen Methoden in einem der größten Versicherungsunternehmen in Europa ging. Im Zuge der Digitalisierung sollten die Abläufe optimiert und beschleunigt werden, die Ergebnisse für den Kunden bessere sein.

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Soweit so gut.

Es vergingen Wochen, in denen erstmal die Governance für einen solchen Prozess zusammengestellt, die Timeline eruiert wurde und das alles abgesegnet werden musste, bevor überhaupt irgendjemand anfangen konnte, in die Prozesse zu gehen.

Zeitgleich fanden diverse Schulungen von Hunderten Mitarbeitern statt, damit die Menschen darauf vorbereitet wurden, was denn da auf sie zukommt.

Wenn der erste Schritt schon ein Mammutvorhaben war, weiß ich gar nicht, wie ich den zweiten Schritt bezeichnen könnte. Da ging es dann nämlich um die Definition der Prozesse und um das Erstellen einer Arbeitsgruppe, die die Transformation vorantreibt.

»Ich habe‘ keine Ahnung, wieso ich hier bin«

Zum ersten Projektmeeting kamen nicht alle, die eingeladen waren. Die, die da waren schauten etwas verwirrt oder ratlos oder saßen mit verschränkten Armen und verschlossenen Gesichtern da.

Interessanterweise war das nicht das erste Mal, dass wir das feststellten – auch in den Schulungen war das öfter der Fall. Dort gab es jeweils Vorstellungsrunden, in denen wir die Menschen aufforderten, neben Namen und Funktion auch zu sagen, was sie sich denn von dem Training erwarten.

Ab und zu hörten wir dann die Antwort: »Keine Ahnung – ich weiß gar nicht, warum ich hier bin – die Einladung erschien in meinem Kalender und es hieß, ich muss teilnehmen.«

Wow.

So ähnlich war‘s in der Projektgruppe: Da wurden Mitarbeiter »abgestellt«, um ihren Bereich zu repräsentieren – immerhin sind solche Projekte ja abteilungsübergreifend. In großen Firmen hat das zur Folge, dass es nicht nur »die IT« gibt, sondern auch hier sehr unterschiedliche Bereiche schon innerhalb der IT. Zudem gibt es in aller Regel noch »das Business«, welches oft ganz andere Anforderungen hat, als sich die IT das vorstellt. Und umgekehrt.

»Der Hase im Pfeffer« – bei allen Projekten

Zurück zu dem Meeting: wir erfuhren, dass einige Menschen das Projekt spannend fanden, andere »mussten« dort sein und waren sehr grantig darüber – hatten sie doch eh schon genug zu tun und waren überbucht – und jetzt noch so ein Projekt on top!

Anzumerken ist noch, dass die Transformation ein »Top Down«-Projekt war – sprich von der Geschäftsleitung entschieden wurde und zur Implementierung an die nächsten Ebenen abgegeben wurde.

Merkst Du schon, wo das Problem lag?

Mal davon abgesehen, dass ein Großkonzern halt diverse Auflagen hat, wie ein solches Projekt geregelt wird und das viel Zeit in Anspruch nimmt?

Bei der Kommunikation.

Genau.

Das Unternehmen – die Menschen darin – haben versäumt, auf allen Ebenen transparent zu machen, was denn hier überhaupt vor sich geht.

Manche, die in den Trainings auftauchten, wussten überhaupt nicht, dass ein solches Projekt anstand.

Die Folgen mangelhafter Kommunikation

Wenn wir etwas nicht verstehen, reagieren wir mit Emotionen (warum wir das quasi immer tun, habe ich in diesem Artikel beschrieben) – und blockieren erstmal. Das ist menschlich und normal. Es könnte ja eine Gefahr darstellen, weil wir es erstmal nicht einordnen können. Wir entwickeln Angst – vor dem Unbekannten oder Ungewissen. Unser »Reptiliengehirn« meldet sich, wir sind gestresst (und merken es manchmal gar nicht direkt) mit der Folge, dass unser Gehirn eine Menge Cortisol (das Stresshormon) ausschüttet und uns in Angriffs- oder Verteidigungsmodus setzt.

Soweit die Prozesse in uns, wenn wir diejenigen sind, die mal eben von der Transformation – digital oder nicht – betroffen sind.

Für den Transformationsprozess heißt das, dass eine Menge Menschen quasi vor dem Boot der Transformation stehen und nicht einsteigen. Weil sie keine Ahnung haben, ob sie mit dem Boot untergehen, ob sie unterwegs einer von Board schmeißt oder wohin die Reise überhaupt geht.

Und am allerwichtigsten: Warum sie diese Reise antreten sollen.

Also lieber an Land bleiben. Oder so tun, als würde ich ins Boot einsteigen – lasse aber einen Fuß auf dem Land.

Letztere sind für den Prozess am schwierigsten. Weil es aussieht als ob und trotzdem Widerstand da ist.

Richtige Kommunikation schafft Transparenz und Vertrauen

Reden, reden, reden – ganz einfach, oder?

Nicht so ganz. Stimmt nämlich nicht. Weil wir oft nur an Menschen »ran reden«, um unsere Botschaft rüber zu bekommen. Als alter Lateiner werde ich jetzt mal zum Klugscheißer und nehme das Wort auseinander: Alles, was mit »Com« anfängt, hat was mit »zusammen« zu tun (communicare). Außerdem steckt »munis« drin – da bedeutet gefällig und dienstbereit.

Klugscheißer-Modus aus.

Im Klartext: MITeinander reden. Dazu gehört eben auch Zuhören.

Weil wir Menschen gerne verstanden werden wollen. Und wir schaffen das dadurch, dass wir selber erstmal verstehen, bevor wir zum Verstanden-werden übergehen.

Kommunikation schafft Transparenz. Vorausgesetzt, sie ist ehrlich, hat die richtige Intention und keine »hidden agenda«. Wir sind ja alle nicht doof – daher spüren wir meist, wenn jemand nicht ehrlich mit uns ist. Es sein denn, wir haben die Verbindung zu uns selber gnadenlos gekappt oder uns abtrainiert auf unsere innere Stimme zu hören.

Was ist richtige Kommunikation? Sehr gute Frage. In erster Linie geht es erstmal darum, eine echte Verbindung mit den Menschen aufzubauen, mit denen wir reden.

Und echte Verbindung kommt vom Herzen. Nicht vom Kopf. Der ist für andere Zwecke da.

Bist Du als Leader wirklich an deinen Kollegen und Mitarbeitern interessiert? Bitte nicht damit verwechseln, dass Du jeden mögen musst. Ich kann mich für Menschen und deren Wohlergehen interessieren, ohne mit ihnen meine Freizeit verbringen zu wollen.

DAS ist die Grundvoraussetzung für wirklich erfolgreiche Kommunikation.

ERST DANN können irgendwelche Kommunikations-Skills, die Du vielleicht in einem Interpersonal Skills Training gelernt hast, angewendet werden. OHNE die echte Verbindung können wir uns das alles sparen, weil wir die Menschen nicht wirklich erreichen.

Und wenn nur wenige ins Boot einsteigen und die in unterschiedliche Richtungen rudern, weil sie nicht wirklich wissen, wo’s hingeht, wird’s eher schwierig, das Projekt jemals über eine Ziellinie zu bekommen.

PS: Ach ja – das Projekt: Final hat es das Unternehmen – bzw. die Menschen darin nicht in die Reihe gebracht, die Kommunikation so zu gestalten, dass alle an Bord gingen. Zu viel Politik, zu viel Ego (sprich persönliche Agenden bei einigen Menschen) und zu viel Angst, die wirklich wichtigen (wenn auch unangenehmen) Gespräche zu führen.

PPS: Kommunikation ist ein komplexes Thema – lass mich doch in den Kommentaren wissen, ob und in welchen Bereichen Du das als Problem erlebt hast und welches Unterthema dich interessieren würde.

PPPS: Hier gibt’s die »Checkliste: Kommunikation für Leader« im Download

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