Das Ende der Cebit ist ein Trauerspiel – ein Rant

Seit Jahren siechte die Cebit ihrem Ende entgegen. So formulierten es Experten und auch unser Doc Storage bereits mehrfach. Das Aus war quasi schon beschlossen, dürfte aber trotzdem nicht sein. Das Ende der Cebit belegt auch, wie schlecht es um den Digitalstandort Deutschland bestellt ist. Ein Rant von Doc Storage…

Unser Doc hat in den letzten Jahren kein gutes Haar an der Cebit gelassen. Nachdem nun das Aus beschlossen ist, sollte das eigentlich Balsam für seine geplagte Kolumnistenseele sein. Ist aber nicht so! Vielmehr hat er wie üblich eine andere Meinung, eine ganz andere…

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Kolumne Doc Storage:

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Sehr geehrte Damen und Herren,

jaja, ich weiß, vor noch nicht allzu langer Zeit habe ich die Cebit auch schon totgesagt. Nicht, dass ich wirklich ernsthaft dran geglaubt hätte, dass DAS tatsächlich jemand ernsthaft wagen würde – aber sie haben es getan. Das ist wie für einen Enkel, für den die Großmutter schon immer da war, und nun muss deren Ableben verdaut, erklärt und vor allem verstanden werden. Aber – wie soll man etwas verstehen, was dermaßen sinnbefreit ist wie das Einstellen der einstmals größten Messe für Büro- und Informationstechnik DER WELT?

Richtig gelesen – weder die aufbegehrenden Ostasiaten noch die sich immerfort selbstüberschätzenden Amis hatten eine solche Veranstaltung, die in ihren Hochzeiten an die eine Million Besucher kratzte. Acht Tage lang war. Abertausende Aussteller anzog, und vor allem in der Lage war, sonst so rationale EDV-Menschen im Anzug mit Gummistiefeln von den Ostparkplätzen aus dem knietiefen Schlamm über die Brücken in die Hallen zu locken. Es war wie ein Familientreffen der EDV. Es gab Neues, Radikales, Experimente, hunderte von »Industry-Firsts« wurden vorgestellt. Und das alles haben die Herrschaften von der Deutschen Messe nun nach über 30 Jahren runtergewirtschaftet. Jetzt setzt man sich hin, wie ein eiskalter Buchhalter, und entblödet sich nicht, das Ende dieser Kultveranstaltung mit »sinkenden Besucher- und Ausstellerzahlen« zu begründen.

Sinkende Besucher- und Ausstellerzahlen. Zack. Das wars. Das folgt dem ewigen Muster, nach dem auch andere Firmen und Veranstaltungen den Bach runtergelassen wurden. Weil die – meist angestellten – Manager zu faul, zu satt und zu unkreativ waren, aus dem Vorhandenen etwas Neues, an die aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen angepasstes zu machen.

Nein, da werden lieber die Tore geschlossen, und man kann im Ende noch froh sein, dass wenigstens die Mitarbeiter der Deutschen Messe nach einer Betriebsvereinbarung vor Entlassung geschützt sind. Nur einer muss gehen – der Ober-Manager der Cebit. Und was sagen wir dazu? Gut so – nur zu wenig!

Die Deutsche Messe AG ist eine staatliche Veranstaltung, zu hundert Prozent, und so besetzt sich auch deren Aufsichtsrat (zur Erinnerung: der Aufsichtsrat WÄRE dafür zuständig, solche Dinge wie die Schließung der Cebit zu verhindern, indem er qualifiziertes Führungspersonal anheuert). KEIN EINZIGER FACHMANN!!! Dafür die Finanz-, Wirtschafts- und Umweltminister von Niedersachsen, ach ja, ein weiterer ausgewiesener Experte, der Bürgermeister von Hannover, natürlich ein paar Gewerkschaftsfunktionäre und es wäre nicht Niedersachsen, wenn für ein paar VWler nicht auch noch ein warmes Plätzchen frei wäre.

Und so sitzt die Bevölkerung abends an den 20-Uhr-Nachrichten und lässt sich wieder einmal den Niedergang des einstigen Innovationsweltmeisters Deutschland in blanken Zahlen erklären. Dass 160tausend Besucher einfach nicht genug seien, und dass man (also die oben genannten Digitalexperten) sich daher entschlossen hätten, schon 2019 gar keine CeBIT mehr zu veranstalten. Man (also besagte Experten) hätten es ja mit einem neuen Konzept versucht (wer nicht da war – der Hamburger Dom war nichts dagegen – Amateure!). Und bumms – einfach so – in noch nicht einmal dreißig Sekunden Bericht wird diesem Land verkündet, dass es sich in Zukunft ganz hinten in der Digitalisierungsschlange anzustellen hat. Einem Land, in dem das Digitalste in seinen Schulen die Pausen sind. Einem Land, wo über 5G schon diskutiert wird, obwohl der eigene Wirtschaftsminister zugeben muss, dass ihm die Löcher im »normalen« Funknetz das Arbeiten im Auto fast unmöglich machen. Einem Land, in dem noch in zwanzig Jahren über die rechtlichen Aspekte des autonomen Fahrens diskutiert werden wird, wenn drumherum schon lange keiner mehr ein Lenkrad anfasst.

Ich will nicht politisch werden, aber wundert sich da noch irgendjemand, dass nur noch wenige Bürger den sogenannten etablierten Parteien (etabliert dadurch, dass ihre Minister und hochrangigen Mitglieder jeweils in dutzenden Aufsichtsräten sitzen) die Lösung der Gegenwarts- und vor allem der Zukunftsfragen zutrauen?

Dazu habe ich am Tag des Cebit-Ablebens in einem großen deutschen Magazin einen Satz von Mark Twain gelesen, und man kann es nicht besser ausdrücken: »Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt!«

Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer – herzlichen Dank an die Herren und Damen Dr. Althusmann (Wirtschafts-, Arbeits-, Verkehrs- und – Achtung, jetzt kommts – DIGITALISIERUNGSminister Niedersachsen), Schostok (Oberbürgermeister Hannover), Hilbers (Finanzminister Niedersachsen), Lies (Umweltminister Niedersachsen), Seidel (Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion in Hannover), Kastning (Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion Hannover), Scheibe (Betriebsratsvorsitzender Deutsche Messe), Hennies (stellv. Betriebsratsvorsitzender Deutsche Messe), Grobe (Arbeitnehmervertreterin, Deutsche Messe), Geisel (Arbeitnehmervertreterin, Deutsche Messe), Röpke (Arbeitnehmervertreter, Deutsche Messe), Kröning (Arbeitnehmervertreterin, Deutsche Messe), Schulze (Erster Bevollmächtigter, IG Metall Hannover), Prof. Loh (Vorsitzender der Geschäftsführung Friedhelm Loh Group), Kempf (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie), Renschler (Mitglied des Konzernvorstands bei Volkswagen), Paetow (Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft), Helmrich (Mitglied des Vorstands bei Siemens), Kapp (Geschäftsführender Gesellschafter KAPP Maschinenfabrik) und Meyer (Vorsitzender der Geschäftsführung bei Hewlett-Packard).

Merken Sie was? Genau – von 20 Mitgliedern EINER, genau EINER von HP. Der dürfte was von Digitalisierung verstehen, zumindest ansatzweise. Bei allen anderen können wir uns nun bedanken, dass sie uns mit Schwung den Berg runter ins digitale Mittelalter getreten haben.

Schönen Dank für Ihre Unterstützung!!!

Gruß
Doc Storage

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