HPC – GER 140:1: Supercomputer EuroHPC kommt mit Speicher satt

EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine europäische Offensive für die digitale Souveränität Europas und die Unabhängigkeit binärer Hoheitsrechte verkündet. Acht Milliarden Euro sollen dafür in den nächsten Jahren fließen. Entstehen werden mehrere Supercomputer an unterschiedlichen Standorten. Das Aushängeschild heißt Leonardo und wird von der EU in Italien mitfinanziert. 10 Exaflops, 3 PByte RAM und bis zu 300 PByte SSD-Kapazität sind die Eckdaten. Der Standort Deutschland spielt dabei erst mal keine Rolle.

Die Bedeutung von KI (künstliche Intelligenz), ML (Machine Learning) und Analytics ist auch in der europäischen Kommission angekommen. Mit einem stolzen Investment von acht Milliarden Euro will die EU die kontinentale Wirtschaft auf dem Weg der digitalen Transformation unterstützen, und damit auch unabhängig machen von Marktkräften und Technologien, etwa aus China oder den USA.

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Dieses Projekt trägt den Namen EuroHPC, und High-Performance-Computing (HPC) über europäische Supercomputer-Zentren hinweg soll Wissenschaft, Forschung, aber auch die Wirtschaft stärken. Im September 2019 wurde verkündet, dass acht dieser Mammut-Rechner geplant sind. Für vier wurden nun Spezifikationen bekannt.

MeluXina (Luxemburg), EURO IT4I (Tschechien), IZUM (Slovenien) sind in der konkreteren Planungsphase, ebenso wie das größte geplante Projekt: Leonardo in Italien. Alle Systeme sollen auf NVIDIA -Architekturen basieren: Ampere-CPUs, A100-GPUs und HDR-Infiniband. HPE ist mit der Umsetzung in Tschechien beauftragt (wählt aber Lenovo-Hardware), die anderen Projekte übernimmt der französische Systembilder ATOS.

Leonardo ist die mit Abstand stärkste der geplanten vier Rechenfarmen und wird im Bologna Science Park für den italienischen Universitäts- und Forschungsbund CINECA entstehen. Der italienische Staat unterstützt den Bau mit 120 Millionen Euro, die EU steuert weitere 120 Millionen Euro bei. Der Supercomputer soll künftig Wettervorhersagen berechnen, den Klimawandel simulieren und an Krankheiten forschen. Aktuell natürlich auch an Covid-19 forschen. Die Industrie erhält unter anderem zur Materialforschung Zugriff. Es wird das rechenstärkste Computersystem Europas, weltweit unter den Top 10 eingeordnet.

Projekt EuroHPC: Die EU bringt für 8 Mrd. Euro mehrere Supercomputer an den Start (Bild: Canva)Projekt EuroHPC: Die EU bringt für 8 Mrd. Euro mehrere Supercomputer an den Start (Bild: Canva)

Leonardo mit 10 Exaflops

Beim Leonardo-Projekt werden 5.000 Rechen-Nodes zusammengeschaltet. Während Atos in der Vergangenheit eher AMD verwendete, sollen nun Intel Xeon-Prozessoren herhalten. Ice Lake-SP mit PCI Express 4.0 erscheint wahrscheinlich, ist aber nicht bestätigt. Von den 5.000 Nodes sollen knapp 3.500 mit je vier A100-GPU-Beschleunigern arbeiten, insgesamt 14.000 A100-Einheiten. Zu den weiteren Spezifikationen gehören mindestens 3 Petabyte RAM, insgesamt bis zu 300 Petabyte Massenspeicher und ein 200-GBit/s-Interconnect der Nvidia-Tochter Mellanox. Die Systeme sollen 624 Tensor-FP16-TeraFlops pro GPU und 10 ExaFlops FP16-Rechenleistung erreichen.

Bis zum Baubeginn 2021 und vollständiger Inbetriebnahme 2022 gehen allerdings weitere Rechenfarmen mit noch mehr Leistung ans Netz. Aktuell nutzt Cineca Marconi-100 – mit knapp 22 FP64-PetaFlops derzeitig Platz 9 der Top500.

HPC – GER: 140:1

Die leistungsstärksten Rechenzentren in Deutschland finden sich in Jülich. Arbeitskräfte und hochspezialisierte IT-Nerds werden aber in Luxemburg, Finnland und Slowenien ihren neuen Job finden. Genau dort, wo der beauftragte IT-Dienstleister aus Frankreich, ATOS, schon Rechenzentren betreibt.

Gegen die acht Milliarden Gesamtinvestition sind 240 Millionen Euro für das größte Supercomputer-Zentrum Europas nahe Bologna fast schon ein Klacks, ein Fußballstadion kostet nicht mehr. Nun entsteht ein Supercomputer in Italien, dem in Deutschlands leistungsstärkstem Supercomputing-Rechenzentrum in Jülich nach der im Gange befindlichen Umstellung auf die Nvdia A100-Chips eine Performance von 1:140 im Vergleich zu Bologna steht. 120 Mio. zahlt der italienische Staat, der deutsche nicht.

Das Leonardo-Projekt wird neben Compute auf Basis von Nvidia A100-Chips und Infiniband anfänglich rund 150 PByte Speicherkapazität und 3 PByte RAM benötigen, dann bald 300 PByte und 5 PByte RAM.

Outscaling und DDN

Speicherseitig arbeitet Atos gemeinhin mit Storage von DDN. Für das Leonardo-Projekt ist dies nicht bestätigt, aber wahrscheinlich. Der hierzulande nicht so prominente Anbieter kommt aus dem Bereich des High-Performance-Storage, ursprünglich im Broadcasting.

Deutschland ist technologisch nicht dabei

Ist nach dem PC (Siemens vs. IBM), Video (VHS vs. Beta 3000), Teletext-Appliances und schließlich Mobiltelefoniegeräten (Siemens gegen alle), Cloud (Deutsche Telekom vs. globale Diverse), flächendeckendes High-Speed-Netzwerk (50 Mbit vs. 5G) nun Hyperscale das nächste Fiasko der deutschen »Neuland«-eStrategie? Es ist zu befürchten…

Deutsche Steuerzahler investieren im Rahmen der EU. Damit entsteht in Italien ein Supercomputer, dem in Deutschland nichts standhalten kann. Wir haben bei der EU-Präsidentin Ursula von der Leyen nachgefragt, warum dieser Invest für Deutschland dennoch Sinn macht. Noch warten wir auf Antwort.

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