Digitale Souveränität: OSBA fordert, Plattner kontert
Aus einem dpa-Interview mit BSI-Präsidentin Claudia Plattner entsteht der Eindruck, digitale Souveränität sei unerreichbar. Die Schlagzeile macht die Runde, 60 Unternehmen der Open Source Business Alliance reagieren mit einem offenen Brief. Plattner weist die Darstellung zurück und stellt klar: Auch das BSI setzt auf Open-Source als strategischen Baustein.
Digitale Souveränität ist möglich – für Deutschland und Europa, schreibt die Open Source Business Alliance (OSBA) in einem offenen Brief an BSI-Präsidentin Claudia Plattner. Anlass war ein dpa-Interview, in dem Plattner zitiert wurde, die digitale Souveränität Europas sei vorerst unerreichbar.
Den Brief haben 60 Unternehmen und Verbände unterzeichnet. Sie betonen, dass leistungsfähige Open-Source-Alternativen in zentralen Bereichen bereits heute verfügbar seien, und fordern von Politik und Verwaltung, diese konsequent einzusetzen und zu fördern.
Claudia Plattner, BSIPlattner reagierte prompt und wies die Vorwürfe unter anderem auf LinkedIn zurück: »Selbstverständlich habe ich der Deutschen Presse-Agentur nicht gesagt, dass ich die Digitale Souveränität Europas für unerreichbar halte. Denn das tue ich mitnichten! Dieser Eindruck ist durch eine Überschrift entstanden, die so gar nicht dem entspricht, was ich im Interview gesagt habe.«
Digitale Souveränität bedeute für das BSI vor allem, Optionen zu haben: »Je mehr vertrauenswürdige Produkte verfügbar sind, desto souveräner können wir entscheiden«, schreibt Plattner. »In diesem Zusammenhang auch Open Source Software zu stärken und strategisch weiterzuentwickeln, ist uns genauso ein Anliegen wie der OSBA.«
Digitale Souveränität: Europas Weckruf zur Unabhängigkeit
Nach Ansicht der OSBA könnten viele Abhängigkeiten kurzfristig reduziert werden, wenn öffentliche Stellen europäische Lösungen systematisch berücksichtigten. Strategisch gehe es darum, Investitionen gezielt in Open-Source-Software zu lenken und durch die Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand Nachfrage nach europäischen Lösungen zu schaffen. Nur so könne ein belastbares Ökosystem entstehen, das Abhängigkeiten tatsächlich reduziert, statt sie lediglich zu verwalten.
Bereits auf der re:publica im Mai 2025 hatte Bundesminister Dr. Karsten Wildberger angekündigt, Open-Source und offene Standards als Leitprinzip der IT-Architektur des Bundes zu verankern. Auch die Koalitionsvereinbarung weist in diese Richtung. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die öffentliche Hand konsequent auf offene Software setzt. Laut OSBA ließe sich so nicht nur die Digitalisierung der Verwaltung nachhaltiger gestalten, sondern auch die Innovationskraft von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und Europa stärken. »Es wäre falsch, an dieser Stelle zu resignieren. Denn wir sind davon überzeugt: Digitale Souveränität für Deutschland ist möglich. Wir müssen sie nur wollen und beherzt vorantreiben«, meint OSBA.
Anmerkung der Redaktion:
Karl Fröhlich, speicherguide.deDigitale Souveränität bedeutet, über die zentralen Technologien und Infrastrukturen selbst bestimmen zu können – statt abhängig von einzelnen globalen Anbietern zu sein. Sie ist mehr als ein Schlagwort, denn sie entscheidet über Sicherheit, Datenschutz, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz. Wer die technologische Basis nicht kontrolliert, läuft Gefahr, Spielball geopolitischer Interessen zu werden.
Gerade der Blick in die USA zeigt, wie kritisch die Lage ist. Dort verfolgt die Regierung zunehmend eine Politik, die nationale Interessen über globale Partnerschaften stellt. Man könnte jedoch auch sagen, es geht weniger um den Schutz der Allgemeinheit, sondern vielmehr um die Sicherung geopolitischer Macht und wirtschaftlicher Vorteile für einige wenige Technologiekonzerne und deren Anteilseigner. Mit dem Verweis auf nationale Sicherheit wird so oftmals ein Geschäftsmodell gestützt, das in erster Linie den Profit einiger Weniger maximiert – auf Kosten von Transparenz, Fairness und internationaler Zusammenarbeit. Aber, ein Schuft, der so etwas Böses denkt …
Exportkontrollen, extraterritoriale Gesetze wie der US-Cloud-Act und die einseitige Regulierungsmacht großer Hyperscaler machen europäische Kunden abhängig von politischen Entscheidungen in Washington. Auch wenn US-Anbieter viele Innovationen vorantreiben, bleiben sie am Ende Unternehmen, die im Zweifel der eigenen Regierung verpflichtet sind – und nicht den Interessen europäischer Nutzer.
China baut parallel eigene technologische Ökosysteme auf, die bewusst abgeschottet sind. Ohne eigene Strukturen steht Europa allein zwischen diesen beiden Polen. Der aktuelle Zustand – eine überwiegende Abhängigkeit von US-Plattformen und -Cloud-Diensten – bedeutet, dass in kritischen Bereichen wie Cloud-Infrastruktur, mobilen Betriebssystemen oder Netzwerktechnologien kaum echte Handlungsfreiheit besteht. Sicherheit, Preisgestaltung und Innovationspfade liegen in den Händen anderer.
Digitale Souveränität ist deshalb kein Luxus, sondern eine Frage der strategischen Handlungsfähigkeit. Sie entsteht nicht von allein, sondern nur durch gezielte Investitionen in offene Technologien, durch eine Beschaffungspolitik, die europäische Lösungen systematisch berücksichtigt, und durch den politischen Willen, Unabhängigkeit nicht nur zu fordern, sondern auch durchzusetzen. Wer heute zögert, riskiert, dass Europa auch in zehn Jahren nur Konsument globaler Technologien bleibt. Deshalb braucht es jetzt eine klare Agenda: weniger Abhängigkeiten, mehr eigene Gestaltungskraft – und den Mut, digitale Souveränität als verbindliches Ziel zu verfolgen.
Und schließlich: Digitale Souveränität ist nicht allein Aufgabe von Politik und Behörden. Mit ihren Investitionsentscheidungen können Unternehmen und IT-Abteilungen europäische Anbieter stärken, offene Standards fördern und Abhängigkeiten Schritt für Schritt verringern. Souveränität beginnt nicht nur in Berlin oder Brüssel – sie fängt in jedem Rechenzentrum an , direkt am eigenen Schreibtisch.