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Bitkom: Deutsche Rechenzentren keine Erfolgsgeschichte mehr

Bitkom: Rechenzentren in Deutschland keine Erfolgsgeschichte mehrLaut Bitkom sinkt Deutschlands Anteil am globalen Server-Markt. Die IT-Anschlussleistung in Rechenzentren soll zwar bis 2030 auf 4,8 Gigawatt ansteigen, wir bleiben jedoch weit hinter den USA und China zurück. Der Digitalverband fordert einen umfangreichen Aktionsplan mit unter anderem besseren regulatorischen Voraussetzungen und schnelleren Genehmigungsverfahren.

Der Markt für Rechenzentren in Deutschland zeigt ein Wachstum, allerdings verliert das Land im internationalen Vergleich an Bedeutung. Zudem diesem Ergebnis kommt die Bitkom-Studie »Rechenzentren in Deutschland: Aktuelle Marktentwicklungen 2024«, durchgeführt vom Borderstep Institut. Während Deutschland derzeit 2,4 Millionen Server betreibt, was 2,5 Prozent der globalen installierten Basis entspricht, war der Anteil 2015 noch bei 3,5 Prozent. In Bezug auf die IT-Anschlussleistung, die in Watt gemessen wird, hinkt Deutschland den führenden Nationen wie den USA und China hinterher.

Aktuelle Daten zeigen, dass deutsche Rechenzentren über eine Leistung von 2,7 Gigawatt verfügen, während diese Zahl bis 2030 voraussichtlich auf 4,8 Gigawatt steigen wird. Im Vergleich dazu haben die USA bereits eine Kapazität von 48 Gigawatt, die bis 2030 auf etwa 95 Gigawatt ansteigen soll. Laut Bitkom liegt China aktuell mit 38 Gigawatt an zweiter Stelle weltweit und wird bis 2030 auf 64,3 Gigawatt anwachsen.

Rechenzentren sind für Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder, das Rückgrat der Digitalisierung: »Kaum ein Unternehmen oder Privathaushalt kommt ohne die Leistungen von Rechenzentren aus, auch die öffentliche Verwaltung ist ohne Rechenzentren nicht mehr arbeitsfähig. In den USA werden jedes Jahr zwei- bis dreimal so viele Kapazitäten neu zugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind. Es ist höchste Zeit gegenzusteuern. Ohne Rechenzentren keine digitale Souveränität.«

bei der IT-Anschlussleistung liegen USA und China weit vor Europa. (Quelle: Bitkom)bei der IT-Anschlussleistung liegen USA und China weit vor Europa. (Quelle: Bitkom)

In Europa bleibt Deutschland führend in Bezug auf Rechenkapazitäten. Jährlich werden hier 2,9 Milliarden Euro in den Ausbau von Gebäuden und technischer Ausrüstung sowie zusätzliche zehn Milliarden Euro in IT-Hardware investiert. Allerdings ist die Rechenleistung in Relation zur Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich niedrig.

Die IT-Anschlussleistung pro Milliarde Euro Bruttoinlandsprodukt beträgt in Deutschland 610 Kilowatt, während sie in Großbritannien 670 und in den Niederlanden 930 Kilowatt erreicht. Irland führt die Liste mit 2.310 Kilowatt pro Milliarde Euro BIP an, vor China mit 2.100 und den USA mit 1.700 Kilowatt. Rohleder betont: »Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfen wir nicht den Anschluss verlieren, sondern müssen mit den führenden Nationen Schritt halten. Deutschland muss sich handlungsfähiger, resilienter und technologieorientierter aufstellen – und das geht nur mit einer starken und leistungsfähigen IT-Infrastruktur.«

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Cloud-Rechenzentren auf dem Vormarsch

Cloud-Computing ist ein wesentlicher Treiber für das Wachstum der Kapazitäten von Rechenzentren. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Leistung der Cloud-Rechenzentren von 630 MW im Jahr 2019 auf 1.240 MW im Jahr 2024 verdoppelt. Derzeit machen Cloud-Rechenzentren 45 Prozent des Marktes aus, verglichen mit 29 Prozent im Jahr 2019. Auch der Markt für Edge-Rechenzentren entwickelt sich, befindet sich jedoch mit einer Anschlussleistung von 180 MW im Jahr 2024 noch auf einem relativ niedrigen Niveau.

Traditionelle Rechenzentren werden weiterhin betrieben, zeigen jedoch einen Abwärtstrend mit einer aktuellen Leistung von 1.310 MW. Insgesamt existieren in Deutschland zurzeit 2.000 Rechenzentren mit einer IT-Anschlussleistung von mehr als 100 kW, darunter etwa 100 sehr große Einrichtungen mit mehr als 5 MW, die nahezu die Hälfte (48 Prozent) der deutschen Rechenleistung ausmachen. Egal ob Cloud, traditionell oder Edge – zusammen erreichen die Rechenzentren in Deutschland eine Gesamtleistung von 2.730 MW, gegenüber 1.590 MW vor zehn Jahren.

KI steigert den Energieverbrauch

Die Nachfrage nach Künstlicher Intelligenz steigert auch den Energiebedarf. Bis 2024 wird dieser auf 20 Milliarden Kilowattstunden geschätzt, im Vergleich zu 12 Milliarden kWh im Jahr 2014. Verschiedene Szenarien in der Bitkom-Studie zeigen, dass der Energiebedarf bis 2030 auf bis zu 37 Milliarden kWh pro Jahr steigen könnte. Ein Viertel der Rechenzentren erwartet aufgrund des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz und High-Performance-Computing einen höheren Wasserverbrauch, da diese Technologien eine stärkere Kühlung erfordern.

Die Betreiber passen die Hardware in den Rechenzentren aktuell der steigenden Nachfrage nach KI-Anwendungen an. Bereits 15 Prozent haben in großem und 44 Prozent in eher kleinerem Umfang spezielle Hardware für KI-Anwendungen im Einsatz – weitere 20 Prozent planen dies. Aktuell beanspruchen KI und High-Performance-Computing 15 Prozent der Rechenzentrums-Kapazitäten in Deutschland, Tendenz sehr stark steigend. Für 2030 geht die Prognose schon von rund 40 Prozent aus. »Künstliche Intelligenz wird die Wirtschaft prägen und wir brauchen mehr Künstliche Intelligenz in und aus Deutschland«, meint Dr. Rohleder. »Deutschland und Europa müssen mehr in spezielle Hardware für KI investieren.«

Der Energiebedarf von Rechenzentren steigert sich in den vergangenen 10 Jahren von 12 auf 20 Milliarden kWh in 2024. (Quelle: Bitkom)Der Energiebedarf von Rechenzentren steigert sich in den vergangenen 10 Jahren von 12 auf 20 Milliarden kWh in 2024. (Quelle: Bitkom)

Datacenter: CO2-Emissionen sinken leicht – trotz steigender Leistung

Die Betreiber bemühen sich zudem um mehr Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit. Die Treibhausgas-Emissionen deutscher Rechenzentren sind von 2014 bis 2024 trotz des starken Zubaus von Kapazitäten leicht gesunken. Dies ist vor allem auf eine Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Ressourcen sowie gesteigerte Energieeffizienz zurückzuführen. Lagen die CO2-Emissionen ausgehend vom deutschen Strommix im Jahr 2014 noch bei 6,9 Millionen Tonnen CO2, so beläuft sich dieser Wert im Jahr 2024 voraussichtlich auf 6,5 Millionen Tonnen. Das Energieeffizienzgesetz, das seit November 2023 in Kraft ist, sieht für alle Rechenzentren ab einer IT-Anschlussleistung von 300 kW vor, dass diese ab 2027 zumindest auf dem Papier klimaneutral sein müssen. Aktuell trifft dies bereits auf 66 Prozent aller Rechenzentren in Deutschland zu – inklusive der kleineren.

Eine breite Mehrheit der Rechenzentrums-Betreiber achtet auf eine klimafreundliche Stromversorgung. Drei Viertel (74 Prozent) haben bereits Ökostrom-Verträge, jeweils 27 Prozent erwerben CO2-Zertifikate oder produzieren selbst Strom aus erneuerbaren Energien. Bei den Betreibern mit mehr als 5 MW IT-Anschlussleistung liegen die Anteile der Erwerber von CO2-Zertifikaten mit 50 Prozent noch einmal deutlich höher.

»Je nachhaltiger Rechenzentren betrieben werden, desto kleiner ist der CO2-Fußabdruck der Digitalisierung«, erklärt Rohleder. »Wichtig ist, dass die nächste Bundesregierung die Energiewende massiv vorantreibt, damit die Rechenzentren nicht nur bilanziell, sondern auch faktisch klimaneutral sind.«

Abwärmenutzung: Deutschland steht sich selbst im Weg – mal wieder

Rechenzentren können auch zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beitragen, wenn ihre Abwärme etwa zur Beheizung von Wohn- oder Gewerbegebieten genutzt wird. Das Energieeffizienzgesetz schreibt für neue Rechenzentren ab 300 kW vor, dass sie einen Teil ihrer Abwärme nutzen müssen. 63 Prozent der befragten Betreiber verwenden bereits grundsätzlich Abwärme, wobei die Hälfte von ihnen nur einen kleinen Teil der Abwärme meist für eigene Zwecke nutzt. Der Anteil der Betreiber, die Abwärme verwenden, ist insgesamt deutlich angestiegen, in einer Befragung im Jahr 2019 lag er noch bei 39 Prozent.

Die Nutzung von Abwärme in Rechenzentren stößt laut Betreibern auf ein signifikantes Hindernis: Es mangelt an Abnehmern für diese Wärme. »Viele Rechenzentren würden ihre Abwärme sogar kostenlos abgeben«, erläutert Dr. Rohleder. »Vielerorts gibt es die dafür nötigen modernen Wärmenetze jedoch nicht. Dass neue Rechenzentren aktuell nur noch dort angesiedelt werden können, wo solche Wärmenetze vorhanden oder verbindlich vorgesehen sind, schränkt die Ausbaumöglichkeiten unverhältnismäßig ein. Rechenzentren werden dort gebraucht, wo ein hoher Bedarf an Rechenpower besteht. Mit solchen Vorgaben, die weit über die bestehenden EU-Regelungen hinausschießen, konterkartiert Deutschland die Bemühungen, die digitale Infrastruktur auszubauen und ihre Resilienz zu steigern.«

Zuverlässige Stromversorgung Standortkriterium Nummer 1

Frankfurt und Berlin sind die bevorzugten Standorte für Rechenzentren in Deutschland. Die Metropolregion Frankfurt am Main, einschließlich des umliegenden Rhein-Main-Gebiets, bleibt mit einer IT-Anschlussleistung von etwa 1.050 MW, was mehr als einem Drittel der Gesamtleistung in Deutschland entspricht, an der Spitze. Hier wird mit einem weiteren Zuwachs von 1.800 MW gerechnet. Berlin-Brandenburg entwickelt sich ebenfalls zu einem wichtigen Standort, allerdings mit einer aktuellen IT-Anschlussleistung von 140 MW und einer geplanten Erweiterung um 900 MW bleibt es weit hinter Frankfurt zurück. Zudem gewinnen das Rheinland sowie die Großräume München und Hamburg an Bedeutung.

Die zuverlässige Stromversorgung gilt als kritischer Standortfaktor für Betreiber. Deutschland schneidet hier im internationalen Vergleich gut ab, ebenso bei der Anbindung an Internetknoten und beim Datenschutz. Jedoch stellen die hohen Stromkosten, langwierige Genehmigungsprozesse, strikte regulatorische Anforderungen und ein Mangel an Fachkräften erhebliche Standortnachteile dar.

Bitkom fordert umfassenden Aktionsplan für Rechenzentren

Um den Standort Deutschland für Rechenzentren attraktiver zu machen, fordert Bitkom einen »Aktionsplan Rechenzentren«. »Die kommende Bundesregierung muss die Rechenzentren in Deutschland nachhaltig stärken, um im Wettbewerb zu bestehen«, hebt Dr. Rohleder hervor. »Dafür braucht es die richtigen regulatorischen Voraussetzungen, niedrigere Stromkosten, eine aktive Standortpolitik und optimierte Planungs- und Genehmigungsprozesse.«

Vorgeschlagen wird unter anderem eine Überarbeitung des Energieeffizienzgesetzes, um die Mindeststandards für Energieverbrauchseffektivität (PUE) und den Anteil an wiederverwendeter Energie (ERF) zu aktualisieren. Die Berichtspflichten sollten außerdem mit den EU-Vorgaben harmonisiert werden, und es bedarf wettbewerbsfähiger Strompreise. »Die im europäischen Vergleich sehr hohen Stromkosten sind aktuell ein entscheidender Standortnachteil für deutsche Rechenzentren«, mahnt Rohleder. »Um dem steigenden Bedarf an Rechenzentrums-Kapazitäten nachzukommen, müssen Genehmigungs- und Planungsprozesse vereinheitlicht, vereinfacht, digitalisiert und beschleunigt werden.«

Planungsverfahren dauern hierzulande meist mehrere Jahre. Unsere europäischen Nachbarländer sind da deutlich mehr auf Zack und erteilen Genehmigungen in der Regel schon nach einigen Monaten. »Der RZ-Standort Deutschland benötigt dringend einen Boost, um eine erfolgreiche digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung zu ermöglichen«, fordert Dr. Rohleder.


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