Rechenzentrums-Abwärme in einen Anlagewert verwandeln
Speichersysteme und ganze Rechenzentren sollen nachhaltiger werden und Energiesparen. Trotzdem wird im RZ nach wie vor sehr viel Wärme produziert. Es gibt erste Bestrebungen diese nutzbar zu machen. Wo stehen wir hier und wäre dies nicht eher ein zu verfolgender Trend?
Leserfrage: Speichersysteme und ganze Rechenzentren sollen nachhaltiger werden und Energiesparen. Trotzdem wird im RZ nach wie vor sehr viel Wärme produziert. Es gibt erste Bestrebungen die Rechenzentrums-Abwärme nutzbar zu machen. Wo stehen wir hier und wäre dies nicht eher ein zu verfolgender Trend?
Antwort Doc Storage:
Wie seit einigen Monaten ausführlich in allen Medien diskutiert wird, verbrauchen Rechenzentren jede Menge Energie. Diese Energie muss von irgendwoher kommen, und allzu oft handelt es sich dabei um schmutzige, kohlenstoffreiche Quellen. Allerdings denkt die gesamte Branche in die richtige Richtung nach, um neue Lösungen zu finden. Die Kohlenstoffemissionen von Rechenzentren sind in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen, da vor allem die Großen auf die Nutzung erneuerbarer Energien umsteigen. Zusätzlich werden immer größere Fortschritte bei der Senkung des Energieverbrauches von Rechenzentren bei weiter zunehmender Leistung und Kapazität erreicht.
Jetzt verwandeln die ersten Betreiber etwas, das bisher nur eine Belastung war, in einen zunehmenden Vorteil nämlich die enormen Wärmemengen, die von den Geräten im Rechenzentrum erzeugt werden.
Nach den Gesetzen der Thermodynamik endet bis auf wenige Anteile alle Energie, die durch ein elektronisches Gerät geleitet wird, auf die eine oder andere Weise als Wärme. Ist die von Tischrechnern erzeugte Wärmemenge relativ gering, erzeugen Server und andere Systeme, aus denen ein Rechenzentrum aufgebaut ist, genug Wärme, um ein ernstes technisches Problem darzustellen. Zwar können größere Unternehmen skalierende Effekte nutzen, um die Kosten für Kühlung zu senken, in kleineren Rechenzentren kann diese jedoch mit bis zur Hälfte des Stromverbrauchs zu Buche schlagen.
Mit Abwärme den Energiebedarf decken
Es gibt jedoch auch andere Wege. Anstatt Strom zur Kühlung von Rechenzentren zu verwenden, nutzen immer mehr Betreiber die Abwärme, um den Energiebedarf an anderer Stelle zu decken. Auch Facebook hat mit der Nutzung der Abwärme begonnen . Dort verwendet man die Abwärme zur Heizung umliegender Häuser, zum Beispiel in Odense in Dänemark. Nach Angaben des Unternehmens werden seine technischen Anlagen im Rechenzentrum in der Lage sein, fast 7.000 Haushalte zu heizen.
Mindestens zwei weitere Unternehmen mit Rechenzentren in Dänemark verfolgen ähnliche Strategien. Der Fast-Fashion-Einzelhändler H&M verteilt bereits seit 2013 seine Abwärme an umliegende Abnehmer und plant den Bau eines neuen 1-MW-Rechenzentrums, welches dann mehr als 2.000 Wohnungen bei Volllast heizen kann. Auch Apple baut ein neues Rechenzentrum in Dänemark. Man plant dort, dieses RZ vollständig mit erneuerbarer Energie zu betreiben und Abwärme zum Heizen benachbarter Bürogebäude zu nutzen.
Es ist dabei kein Zufall, dass gerade Dänemark über so viele Rechenzentren verfügt. In den letzten Jahren hat das Land in Hochgeschwindigkeits-Glasfaserverbindungen und große Kapazitäten sicherer, grüner Energie investiert. Der Standort mit einem durchschnittlich kalten Klima trägt außerdem dazu bei, dass weniger Serverräume gekühlt werden müssen. Das kalte Wetter könnte auch dann von Vorteil sein, wenn Technologieunternehmen dazu übergehen, ihre Wärme zu verkaufen. Im Sommer besteht keine große Nachfrage nach heißer Luft.
Auch Rechenzentren an anderen Standorten auf der Welt nutzen ihre Abwärme auf interessante Weise. Zusätzlich zu den Dutzenden weiterer Rechenzentren, die ihre Abwärme zum Heizen von Häusern nutzen, heizen Telecity in Paris sein Klima-Arboretum vor Ort, die IBM in der Schweiz ein nahegelegenes Gemeinschaftsschwimmbad. Und in Kanada spendet das Kommunikationsunternehmen Quebecor seine Wärme an die Redaktion einer Lokalzeitung. Die Entscheidung von Technologiefirmen, den Gemeinden, die ihre Rechenzentren beherbergen, etwas zurückzugeben, ist dabei mehr als nur Altruismus es ist am Ende auch ein gutes Geschäft. Rechenzentren bringen hochbezahlte Arbeitsplätze und Geld in die ländlichen Gebiete, in denen sie häufig angesiedelt sind. Andererseits bietet recycelte Wärme einen klaren Nutzen für die Gemeinschaft.
RZ-Abwärme als Geschäftsmodell
In Frankreich hat ein Startup namens Qarnot Computing sein Geschäftsmodell ausschließlich auf dieser Idee aufgebaut. Das von einem Informatiker gegründete Unternehmen platziert kleinere Computerinstallationen in Häusern und Gebäuden von Kunden. Das Gehäuse ist dabei so konzipiert, dass es Wärme sammelt und ableitet. Die Rechen- und Speicherkapazität der installierten Systeme wird an Firmenkunden verkauft. Die Bewohner stellen ihre Thermostate auf die gewünschten Temperaturen ein, und falls mehr Wärme benötigt wird, springen weitere Rechner und Speicher ein. Da Qarnot die Rechenleistung verkauft, kann das Unternehmen seinen Kunden ein unschlagbares Angebot machen: kostenlose Wärme. Und sollte der Wärmebedarf den Bedarf an Rechenleistung übersteigen, wird die übrige Energie an Universitätslabore gespendet.
Derzeit konzentriert sich das Qarnot auf Kunden mit Unternehmens-, Mehrfamilien- und Gewerbeimmobilien, bei denen sich das System in größerem Maßstab einsetzen lässt. Die Mindestgröße ist hierbei ein Mehrfamilienhaus mit rund 20 Wohneinheiten. Der Anbieter hofft, das System in Zukunft auch in kleineren Installationen per Plug-and-Play anbieten zu können.
Da Rechenleistungen sich immer weiter in die Cloud verlegen, besteht weltweit ein wachsender Bedarf an Rechenzentren. Marktforscher prognostizieren, dass sich deren Anteil an der weltweiten Stromabnahme in den kommenden fünf Jahren auf rund fünf Prozent erhöhen und fünf Jahre später nochmals auf zehn Prozent verdoppeln wird. Anstatt diese Rechner und Speicher dort zu gruppieren, wo immer mehr Energie für deren Kühlung aufgewendet werden muss warum verteilt man sie nicht in Häusern und Büros, wo sich ihre Wärme direkt verbrauchen lässt? Vielleicht eine Perspektive, über die es sich in Zukunft lohnt nachzudenken.
Grüße
Doc Storage
Anmerkung der Redaktion
Der Inhalt des Artikels entspricht der persönlichen Ansicht des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.