All-Flash-Datacenter sind Huaweis Antwort auf die YByte-Ära

Neu ist der Gedanke des All-Flash-Datacenters nicht: Formuliert hat ihn Huawei schon 2015. Allerdings hatte der Anbieter damals zwar den Anspruch, aber weitaus weniger Gewicht im Markt. Das hat sich geändert.

Auf dem »Innovative Data Infrastructure Forum« zeigte Huawei, dass es längst nicht mehr nur Mitläufer, sondern Taktangeber sein kann.

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Huawei stellt sich neu auf und zeigt, wie sich das Unternehmen die Zukunft des Rechenzentrums vorstellt: All-Flash, datenzentriert statt CPU-zentriert und deutlich umweltfreundlicher als bisher. Als chinesisches Unternehmen hatte es Huawei in den vergangenen Jahren nicht leicht, sollte man meinen: Die unter Präsident Trump erlassenen Sanktionen und Strafzölle der USA wurden auch von dessen Nachfolger nicht aufgehoben. Erst jetzt denkt er ernsthaft über Lockerungen als Maßnahme nach, um die Steigerung der Verbraucherpreise einzudämmen.

Langfristig geschadet haben die Maßnahmen Huawei allerding nicht: Gartner positioniert Huawei seit über sechs Jahren rechts oben in seinen Quadranten zum Storage-Markt und die IDC-Marktforscher sehen das Unternehmen im Storage-Markt seit vielen Quartalen auf Wachstumskurs. Dabei legt es meist deutlich stärker als der Markt zu und ist teilweise der mit Abstand am schnellsten wachsende der großen Anbieter. Weltweite Wachstumsraten von über 25 Prozent (im zweiten Quartal 2021) oder sogar 30 Prozent (im ersten Quartal 2021) sprechen eine deutliche Sprache.

Verfügbarkeit als Trumpfkarte

Der Hersteller profitiert dabei auch von der guten Verfügbarkeit seiner Produkte. Im April hat er sogar das Versprechen gegeben, ausgewählte Flash-Storage-Produkte und typische Konfigurationen bei Bestellung vor dem 30. Juni innerhalb von zwei Wochen liefern zu können. In einem Umfeld, in dem andere teilweise mehrere Monate benötigen, ist das ein starkes Zeichen.

Paradox: Das haben gerade die US-Sanktionen ermöglicht. Denn vor deren Inkrafttreten hatte Huawei tief in die Firmenkasse gegriffen und in großem Umfang Rohstoffe und Bauteile gehamstert. Außerdem haben die Einschränkungen das Unternehmen in seinen Plänen bestärkt, stärker auf eigene Entwicklungen und Produkte zu setzen, um weniger von Zulieferern abhängig zu sein. Auch diese Bemühungen tragen allmählich Früchte.

Die Firmenvertreter reisten deshalb Anfang Mai mit breiter Brust aus China zum »Innovative Data Infrastructure Forum« nach Unterschleißheim bei München. Die Huawei-Veranstaltung wurde das erste Mal in Deutschland abgehalten, was deutsche Firmenvertreter als Zeichen der Anerkennung für ihre Arbeit werteten. Da Huawei vom US-Markt ausgeschlossen ist, müssen die erstaunlichen Zuwächse ja in anderen Regionen erzielt werden und dort noch deutlich höher ausfallen, um den weltweiten Durchschnitt anzuheben. Das ist in Deutschland offenbar gut gelungen.

Architekturen statt Produkte

Den Erfolg führt Huawei auch darauf zurück, dass es seinen Kunden nicht mehr einzelne Storage-Produkte anbietet, sondern Rechenzentrums- und Storage-Architekturen. Diesen Architektur-Ansatz betonte das Unternehmen auch auf der Veranstaltung in Unterschleißheim – und konnte auch einige Kunden präsentieren, die sich darauf eingelassen haben und zufrieden sind. Dazu gehört beispielsweise das Universitätsklinikum Essen. Deutlich wurde aber auch, dass nicht alle Kunden gut zu Huawei passen. Vor allem bei anspruchsvollen Kunden, mit hohen Datenvolumina, hohem Anteil transaktionaler Zugriffe und einer eher auf die Lösung von Business-Problemen ausgerichteten Lieferantenauswahl kann Huawei punkten.

Das gelingt auch, weil Huawei weniger Rücksichten auf Bestandskunden nehmen muss. Es kann daher etwa voll auf NVMe setzen und sich vor allem da positionieren, wo die Stärken von NVMe auch benötigt werden – also, in Bereichen, bei denen Echtzeitanalysen, Online-Transaktionen, Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen strategisch sind.

Huaweis Vision für die Yottabyte-Ära

Die wichtigsten Ankündigungen während der Veranstaltung betrafen daher auch nicht konkrete Produkte, sondern Strategien. Dabei geht es laut Dr. Peter Zhou, President IT Product Line bei Huawei, darum, die bisherige Architektur, bei der Storage und Rechenleistung (Compute) eng verknüpft sind, zu entkoppeln. Diese Architekturen seien für herkömmliche Anwendungen wie SAP und Oracle ausgelegt. In Unternehmen würden im Zuge der Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle die Aufgaben der bisherigen Produktions-Applikationen aber immer häufiger neue Daten-Applikationen übernehmen, etwa Apache Spark, Apache Flink, TensorFlow oder Kubernetes.

Die stellten auch höhere Ansprüche an die Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit des Datenzugriffs. Gleichzeitig öffne sich die Schere zwischen den unterschiedlichen Lebenszyklen von Computing-Komponenten und Storage-Bausteinen weiter. Huaweis Antwort darauf ist Software für flexibles und unabhängiges Management sowie die Wartung von Storage- und Computing-Ressourcen. Durch die Entkopplung verspricht Huawei zudem eine bessere Auslastung beider Bereiche und dadurch Kostenvorteile.

Die veränderten Anforderungen müssten sich aber auch im Umgang mit den Daten niederschlagen. Um unterschiedliche datenzentrische und datenhungrige Applikationen zu unterstützen, müsse eine zukunftssichere Storage-Infrastruktur Daten immer vorhalten. Data Warehouses und Date Lakes müssten zusammenwachsen. Zeitaufwändige und komplexe ETL-Prozesse (Extract, Transform, Load) könne man sich nicht mehr leisten.

Konvergenz statt Entkopplung predigt der Hersteller auch bei den Speicherformaten. Block-Storage, File-Storage, Object-Storage und HDFS zu trennen werde in einer Zukunft, in der immer neue Anwendungen zu unterschiedlichen Zwecken auf die Daten zugreifen, nicht mehr effizient sein. Huawei schlägt als Lösung einen einheitlichen Namensraum und die Kombination der bisher üblichen, getrennten Baum-Strukturen (bei Files) und flachen Strukturen (bei Objektspeicher) vor. Software – bei Huawei DME (Data Management Engine) genannt –, sowie zusätzliche Tools für Automatisierung, Regelverwaltung, Analyse und Vorhersagen soll dafür sorgen, das Daten über ihren gesamte Lebenszyklus allen Anwendungen über standardisierte APIs da zur Verfügung stehen, wo sie benötigt werden, etwa in virtuellen Maschinen, für OpenStack, Kubernetes oder in der Public-Cloud.

Grundlage sind dann aber doch wieder Storage-Produkte. Allerdings nicht als Einzellösung, sondern als konvergierter Pool an Storage-Ressourcen. Dabei baut Huawei auf vier Säulen: Oceanstor Dorado (High-End-All-Flash-Systeme), Oceanstor Pacific (Massendatenspeicherung), Oceanstor Protect (Backup und Ransomware-Schutz) und Fusion Cube (Hyper-Converged Infrastructure). Festplatten will man dabei aber nicht mehr verbauen. Nicht nur wegen der höheren Geschwindigkeit und Speicherdichte, auch wegen der Energieeffizienz bevorzugt Huawei Flash. Und vielleicht auch, weil man bald in der Lage sein wird, eigene Flash-Speicherbausteine herzustellen. Berichten zufolge will Huawei in der zweiten Jahreshälfte 2022 mit Packaging-Tests für NAND-Flash beginnen.

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