Enterprise 2.0: Fundiert entscheiden

Durch seinen klaren Geschäftsbezug bietet Enterprise 2.0 für Unternehmen eine Reihe von Vorteilen. Insbesondere bei der Beantwortung von qualitativen Fragestellungen kann das Konzept Unternehmen sinnvoll unterstützen.

Enterprise 2.0 genießt als Thema in der IT-Welt derzeit eine besondere Aufmerksamkeit. Experten sprechen gar von einem regelrechten „Hype“ um ein Konzept, das – ohne definiert zu sein – durch findige Marketingstrategen und Interessengruppen bereits mit einem griffigen Namen belegt wurde. Es fällt daher nicht leicht zu beschreiben, was Enterprise 2.0 eigentlich genau ist. Ein erster Definitionsversuch in Wikipedia (bis Frühjahr 2008) war: „Enterprise 2.0 beschreibt die Nutzung von Web 2.0-Technologien und Anwendungen im Unternehmenskontext“. Aktuellere Definitionen stellen auch den Zusammenhang zum Wandel der Unternehmenskultur her. Warum das so ist, wird klar, wenn man sich die Intentionen von Unternehmen sowie die Charakteristika bestimmter Web 2.0-Konzepte genauer anschaut. Als Begriff fasst Web 2.0 eine Reihe von interaktiven und auf Zusammenarbeit ausgelegten Elementen des Internets zusammen. Wesentliches Merkmal ist eine „Neues Netzverständnis“: Demnach dient das www primär nichtmehr der Veröffentlichung von Inhalten großer Unternehmen, sondern erhält einen stärkeren interaktiven Charakter. Normale User produzieren und veröffentlichen dabei eigene Inhalte, kombinieren diese mit den Inhalten anderer Nutzer und vernetzen sich als Individuen untereinander. Wichtige Dienste, die dieses Nutzungsverständnis unterstützen, sind Video-Plattformen, Wikis, Blogs und andere Varianten „Sozialer Netzwerke“.

Anzeige

Image

Wandel der Unternehmenskultur

Web 2.0 ist somit weder eine bestimmte Software noch eine spezielle Technologie, sondern vielmehr der Versuch, Methoden, Konzepte, Werkzeuge, Dienste und bestimmte wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends begrifflich zu erfassen. Web 2.0 führt zu einer anderen, neuen Wahrnehmung des WWW und seines Einsatzes. Es kommt zu einem Wandel in der Verantwortlichkeit und innerhalb des bisherigen Rollenmodels: Aus Konsumenten werden Produzenten und aus Produzenten Konsumenten. Neu ist im Rahmen von Web 2.0 auch die Zusammenfassung von zuvor nicht integrierten Diensten, um Zusatznutzen zu generieren. Dies gelingt durch technische Innovationen heute selbst IT-Laien. Die Verwendung von Web 2.0-Konzepten ist also zum einen Strategie und Anwendung: nutzerorientiert, offen, einfach einsetzbar und pragmatisch. Die Gefahr, die von der Nutzung ausgeht, liegt im Kontrollverlust über dezentrale Dienste. Ungewollte Veröffentlichungen von intellektuellem Kapital im Internet könnten den Verlust von Wettbewerbsvorteilen nach sich ziehen. Zudem entsteht ein Rechtfertigungsdruck für Kosten und Aufwendungen. Der liberale Ansatz des Web 2.0 ist deshalb nicht unmittelbar auf den Unternehmenseinsatz übertragbar. Vielmehr stellt Enterprise 2.0 die Anwendung von Web 2.0-Konzepten in Unternehmen unter Berücksichtigung unternehmerischer Restriktionen und des Wirtschaflichkeitsprinzips dar.

Entscheidungsfindung leicht gemacht

Der tatsächliche Gewinn von Enterprise 2.0 für ein Unternehmen lässt sich am Bereich der Entscheidungsfindung und Entscheidungsunterstützung veranschaulichen. Jede Geschäftsführung ist regelmäßig gezwungen, taktische und strategische Entscheidungen zu treffen. Dazu müssen im Vorfeld bestimmte quantitative Daten und Informationen erfragt werden. Typische Fragestellungen wären: „Wie viel Umsatz haben wir erzielt?“, „In welchem Zeitraum haben wir diesen Umsatz erzielt?“, „Wo haben wir den Umsatz erzielt?“ oder „Wie wird sich der Umsatz in Zukunft entwickeln?“.Die Beantwortung derartiger, häufig finanzieller Fragestellungen erfolgt heute unter Zuhilfenahme analytischer Systeme wie interaktivem Reporting, Adhoc-Analysen,Data-Mining, Simulation oder Prognostik. All diese Systeme werden im Allgemeinen unter dem Begriff Business Intelligence (BI) subsumiert. Als Grundlage dienen oftmals DataWarehouses (DWH), die die Extraktion von quantitativen Daten aus den unterschiedlichen Vorsystemen ermöglichen und die Daten analytisch aufbereiten.

Image

Die „Warum“-Frage

Ein Problem aber bleibt – die Frage nach dem „Warum“. BI- oder DWH-Systeme können je nach Reifegrad gute Hilfestellungen bei der Beantwortung von Fragen zu Quantitäten geben. Sie liefern dem Entscheider aber häufig keine Antwort auf Fragen nach den Ursachen und Gründen. Solche kausalen Zusammenhänge lassen sich nur bedingt aus Zahlen, Daten und Fakten erkennen. Die Frage nach der Ursache richtet sich deshalb an das Unternehmenswissen, das sich auf vielfältige Art und Weise abbildet: In Form des Unternehmensaufbaus, des Umfeldes sowie der Ablauforganisation auf der einen Seite, bezogen auf Menschen wie Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner auf der anderen Seite. Die große Herausforderung beim Versuch das Unternehmenswissen „anzuzapfen“ liegt in der enormen Content und System-Vielfalt. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als dass sich das Datenkontinuum in Unternehmen durch die Internet-Ökonomie, Office-Tools und Multimedia stark verändert hat. Infolgedessen repräsentieren unstrukturierte oder teilstrukturierte Daten heutzutage den Großteil der geschäftsrelevanten Daten in Unternehmen. Die Lösung zur Beantwortung qualitativer Fragestellungen kann – wenn vorhanden – ein Wissensmanagement bieten. Es spielt allerdings eine große Rolle, auf welche Art und Weise und vor  allem wie erfolgreich Wissensmanagement-Prozesse bisher in einem Unternehmen eingesetzt wurden. Die aufgetretenen Schwierigkeiten bei weniger  erfolgreichen Wissensmanagementprojekten münden in der Forderung nach Einfachheit, einemintegrierten Prozess, der Mitarbeitermotivation und vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten. Erfolgreiches Wissensmanagement im Sinne des Enterprise 2.0-Konzeptes verfolgt unter anderem die Strategie der Personifizierung und der Nutzerorientierung: Die Wissensmanagement-Prozesse sollen nicht die systematische Erfassung, die Ablage oder die Organisation von Wissen in den Mittelpunkt stellen, sondern den Wissensträger selbst. Parallel dazu wird auch der Dialog zwischen den unterschiedlichen Wissensträgern optimiert. Es gibt aber noch weitere gute Gründe, Enterprise 2.0-Konzepte in Entscheidungssystemen einzusetzen, die sich aus generellen Trends der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben.

Veränderte Bedingungen

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht befinden sich viele Unternehmensbeziehungen derzeit in einem Übergang: Ausgehend von klassischen vertraglich abgegrenzten Beziehungen geht die Entwicklung über Added-Value-Beziehungen mit einer engen Bindung des Lieferanten an den Kunden hin zu so genannten Joint-Value-Beziehungen. Dabei bedienen verschiedene Unternehmen einen Kunden mit einem gemeinsamenWertbeitrag. Das Verfolgen gemeinsamer Ziele und die Entwicklung von gleichwertigen Partnerschaften führt auch zu einer geringeren Austauschbarkeit der Mitspieler. Da herkömmliche Erfolgssteuerungen die Komplexität solcher Joint-Value-Unternehmensverbünde kaum lenken und leiten können, ist eine neue Steuerungsmechanik erforderlich. Die Herausforderung heißt „unternehmensübergreifende Kollaboration“: Wie im Bereich des Wissensmanagement geht es auch hier um Kommunikation, Nutzerorientierung, inhaltliche Vielfalt und die Integration von Prozessen. Anforderungen also, die sich über den Enterprise 2.0-Ansatz erfüllen lassen. Doch nicht nur die eigenen Geschäftsmodelle und -beziehungen ändern sich. Auch die grundsätzlichen Rahmenbedingungen erfordern die eine oder andere Anpassung vonseiten der Unternehmen. Die Globalisierung, der enorme Kosten- und Wettbewerbsdruck, das Einhalten gesetzlicher Anforderungen sowie die Volatilität des Marktes stellen die Beteiligten vor anspruchsvolle Aufgaben. Unternehmen, die in diesem Umfeld bestehen wollen, brauchen als wesentliche Konsequenz schnell wandelbare Geschäftsmodelle. Die Forderungen nach dynamischen und reaktionsfreudigen Entscheidungsunterstützungs-Systemen motivieren die Berücksichtigung des Enterprise 2.0-Konzeptes 2.0-Konzepts. Beachtenswert ist allerdings in diesem Zusammenhang auch die Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten. Schließlich kann es etwa sehr leicht passieren, dass ein und dieselbe Person in ihren Rollen als Privatmensch und als Arbeitnehmer unterschiedliche Interessen vertritt. Das liberale Prinzip desfreien Austausches von Inhalten unterliegt hier also gewissen Beschränkungen. Insofern müssen auch die besonderen Anforderungen an Speicher und Netzwerke beachtet werden.

BI-Mashups

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, hat bereits der griechische Philosoph Aristoteles bemerkt und auch im Umfeld von Business Intelligence behält diese Aussage ihre Gültigkeit. Ein Konzept des Enterprise 2.0 ist das Erschaffen neuer nützlicher Dienste durch die Verquickung von Daten und Anwendungsfragmenten anderer Internetbasierter Dienste. Bezeichnet wird dieses Vorgehen als Mashup. Ein Business-Intelligence-Mashup beinhaltet neben typischen Enterprise 2.0-Inhalten und -Diensten auch Inhalte analytischer Informationssysteme wie Standard- und Ad-hoc-Reporting, Data Mining oder DataWarehousing. Wichtige generelle Merkmale von BI-Mashups sind externe BI-Inhalte, etwa Analysen, Statistiken, auch unstrukturierter Content. Ebenfalls bedeutend sind qualitative Informationen und nutzergenerierte Inhalte. Der Fokus liegt schwerpunktmäßig auf Information, Kommunikation und Zusammenarbeit. Der Mehrwert des BI-Mashups liegt in der Verbindung von BI-Daten mit externen und internen Anwendungsdiensten. Ziel ist letztendlich die auf zusammengehörenden qualitativen und quantitativen Informationen basierende optimierte Entscheidungsfindung. Ein BI-Mashup braucht eine Referenzarchitektur, die den Rahmen für ein ganzheitliches Informationssystem darstellt. In diesem Rahmenkonzept sind sowohl interne als auch externe Datenquellenmöglich, um Daten bereit zustellen. Die Datenhaltung und Aufbereitung erfolgt in einer Datenhaltungsschicht mit Content Repository, Stammdatenhaltung, Operational Datastore, Core DataWarehouse und nach Bedarf auswertungsoptimierten Datamarts. Die Anwendungsschicht bilden zwei Subsysteme: als Erstes ein Enterprise Content-Management-System (ECM), das sich hauptsächlich der Integration, Erfassung und Bearbeitung, Verwaltung, Veröffentlichung und Verteilung von Inhalten widmet; zum Zweiten ein BI-Subsystem, das die analytischen Disziplinen wie Ad-hoc- Analyse oder Standard-Reporting abbildet. Als Präsentationsschicht dient ein Informationsportal. Es bereitet die einzelnen Komponenten und deren Inhalte nutzergerecht für die Endanwender auf. Über alle Ebenen existiert zudem eine durchgängige Metadatenverwaltung, mit der die Metadaten aus Integrations- und ETL-Prozessen über Berichte, Analysen oder Content-Strukturen eingesehen und verwaltet werden können.

Image

Enterprise 2.0

Um Enterprise 2.0-Konzepte tatsächlich zu ermöglichen, ist eine Erweiterung der beschriebenen Referenzarchitektur notwendig. Die Subsysteme der Anwendungsschicht werden dafür um zusätzliche Bausteine ergänzt. Nur so können sie Basiskomponenten des Web 2.0 wie Wikis, Blogs, Forumsfunktionalitäten, Bewertungsfunktionen oder Interaktionsmöglichkeiten bereitstellen. Auch das Informationsmanagement- Portal sollte durch die Einführung von Web 2.0-Features so ergänzt werden, dass insbesondere Zugriff auf externe Dienste und Daten möglich wird. Im Rahmen der Architekturerweiterung werden ein weiteres Mal die unterschiedlichen Zielsetzungen von Web 2.0 und Enterprise 2.0 deutlich: Während in Web 2.0 der semantische Kontext vor allem durch den Anwender und die Art der Nutzung von Web 2.0-Services bestimmt wird, hat Enterprise 2.0 klare Businessziele und einen geschäftlichen Bezug. Diese direkte Verbindung zum Business wird über die Anforderungen an das Enterprise 2.0-Informationssytemhergestellt. Der wirtschaftliche Nutzen stellt sich schlussendlich über die ganzheitliche Betrachtung ein. Eine entscheidende Architekturerweiterung ist also — wie in Abbildung 3 dargestellt — die Implementierung des Business-Kontext und des so genannten „Kontext-Mappings“. Dabei geht es im Prinzip um die Vermittlung zwischen dem ECM- und dem BI-System der Anwendungsschicht. Weil geschäftliche Inhalte und Konzepte in beiden  Welten sehr unterschiedlich modelliert und abgebildet werden, muss zwischen beiden Systemen ein Ausgleich hergestellt werden. Diese Aufgabe übernimmt ein Kontext-Mapper, der allerdings zur Vermittlung einer gewissen Intelligenz oder zumindest Komplexität bedarf. Eine zusätzliche Erweiterung wird nötig, wenn externe Anwendungen und Dienste zu einem BI-Mashup integriert werden sollen. Da diese Anwendungen eigentlich außerhalb der Systemgrenzen des Informationsmanagement-Systems liegen, müssen zwei Dinge beachtet werden: Zum einen sind die Integrationspunkte und Schnittstellen vielfältig, zum anderen unterliegen diese Integrationen nicht mehr unbedingt der eigenen Kontrolle oder etwa eigenen Unternehmensvorgaben. Besonders nicht-funktionale Bereiche wie Sicherheit, Verfügbarkeit und Datenqualität können davon betroffen sein. Typische Standards in diesem Bereich fußen auf SOA- und Web-Standards, die aber bislang aus Sicht des Autors entscheidende Problemstellungen wie die Datenqualität nicht lösen konnten.

Anwendungsbeispiele

Abhängig von den bis hierhin beschriebenen Anforderungen und Herausforderungen können BI-Mashups fundierte Unternehmensentscheidungen grundsätzlich auf unterschiedliche Art und Weise sinnvoll unterstützen. Eine mögliche Anwendung käme beispielsweise im Rahmen der Wettbewerbsanalyse in Betracht. Die Geschäftsführung eines Unternehmens möchte klären, warum ihre Filialen einen bestimmten Umsatz erzielt haben. Die Analyse findet unter der Annahme statt, dass Filialen eines Wettbewerbers Einfluss auf den eigenen Umsatz haben. Traditionell erfolgt diese Analyse dadurch, dass zwischen  Umsatzberichtswesen und Darstellung der Lage der Wettbewerbsfilialen gewechselt würde. Ein BI-Mashup bietet eine neue Möglichkeit: Umsatzbericht und Lage der Wettbewerbsfillialen werden direkt kombiniert dargestellt. Das erleichtert und beschleunigt die Analyse erheblich. Anbieter wie Google oder Yahoo bieten inzwischen entsprechende Dienste und zum Teil sogar relevante Daten, um derartige Lösungen zu realisieren. Ein anderes Beispiel ist die Implementierung eines integrativen Planungsprozesses. Planung oder Budgetierung sind in vielen Unternehmen noch immer intransparente langwierige Prozesse. Kommt keine Planungssoftware zum Einsatz, sind häufig noch Tabellenkalkulation und E-Mail die typischen Werkzeuge. Selbst beim Einsatz eines interaktiven Planungswerkzeuges, findet die Kommunikation zur Planung häufig außerhalb des Tools statt, also in E-Mails, in Meetings oder per Telefon. Mit Enterprise 2.0-Konzepten könnten Planungsprozesse anders aufgesetzt werden: Auf der einen Seite wird ein Planungs- und Budgetierungswerkzeug verwendet, dass z.B. eine hierarchische, dezentrale Planung durch mehrer Anwender ermöglicht. Dieses Planungswerkzeug wird mit einem Diskussionsforum kombiniert und ermöglicht so eine geschlossene Diskussion im Planungskontext.

Fazit

BI-Mashups erfüllen unter Einsatz von Enterprise 2.0-Konzepten viele Anforderungen an ein modernes Unternehmensinformationssystem. Dazu gehören Dynamik, Zusammenarbeit, Nutzerorientierung, Motivation und Einfachheit. Hürden bei der Durchführung von Wissensmanagement-Projekten oder zwischen Individuen und Geschäftspartnern können durch BI-Mashups überwunden werden. Die Effizienz wird gesteigert. Allerdings müssen für den Unternehmenseinsatz nichtfunktionale Rahmenbedingungen wie Sicherheit, Speichermedien, Netzwerkinfrastruktur und vieles mehr beachtet werden. Aufgrund ihrer speziellen Charakteristika lassen sich zudem nicht alle Web 2.0-Ansätze deckungsgleich auf ein Unternehmen übertragen. Der für das Enterprise 2.0-Konzept notwendige wirtschaftliche Nutzen lässt sich durch die Kombination von BI- und ECM-Systemen erzielen.

TOM GANSOR

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe Dezember 2008 des it management.

Anzeige

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.